Bernd Gasch

Prüfungsvorbereitung und Prüfungsverhalten.
Ein praktischer Leitfaden für Studierende

nach: Kleine Fibel zur Prüfungsvorbereitung, hg.v. Ulrich-Peter Ritter,
 Hamburg (Arbeitskreis Hochschuldidaktik) 1977;
für die Tübinger Verhältnisse modifiziert von Henrike Lähnemann, 2001.

Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung. 3

II. Technische Vorbereitungen. 3

1. Offizielle Papiere besorgen! 3

2. Inoffizielle Informationen einholen! 4

3. Umgebung informieren! 5

4. Analyse bisheriger Prüfungserfahrungen. 5

5. Erstellung eines Zeitplans. 6

III. Informationsaufbereitung. 11

1. Zusammenstellung der Materialien. 11

2. Abschätzung der Wichtigkeit einer Informationsquelle. 11

3. Diagonales Lesen. 12

4. Exzerpieren wichtiger Information. 12

5. Strukturieren der Information. 12

6. Analyse des Literatuverzeichnisses. 14

IV. Informationsverarbeitung. 14

V. Kontrolle. 16

VI. Wiederholung. 17

VII. Aktuelles Prüfungsverhalten. 17

1. Mündliche Einzelprüfung. 17

2. Schriftliche Prüfung, Essay/Aufsatz. 18

3. Schriftliche Prüfung, Kurzfragen oder Übersetzung. 19

VIII. Verhalten nach der Prüfung. 19

 

I. Einleitung

Die vorliegende Arbeit basiert auf mehreren Quellen. Zum einen sind in ihr einige Ergebnisse der Lernpsychologie und Sozialpsychologie eingearbeitet, soweit sie sich auf das praktische Problem ‘Prüfung’ anwenden lassen, zum anderen sind praktische Erfahrungen von Prüflingen und Prüfern verarbeitet. Natürlich ist durch die Befolgung der vorgeschlagenen Prinzipien der Erfolg einer Prüfung noch nicht garantiert, da zu viele unkontrollierbare Faktoren in den Prüfungsverlauf und das Prüfungsergebnis mit eingehen. Eine einigermaßen geplante und durchgehaltene Prüfungsvorbereitung, wie ein geschicktes Prüfungsverhalten sind jedoch Faktoren, die der Prüfling noch am ehesten selbst beeinflussen kann.

Im folgenden werden 6 Hauptpunkte diskutiert:

– Technische Vorbereitungen

– Informationsaufbereitung

– Informationsverarbeitung

– Kontrolle

– Wiederholung

– Aktuelles Prüfungsverhalten

Das Thema Prüfungsangst ist zunächst ausgespart. Praktische Hilfe geben z. B. folgende Bücher: Werner Metzig und Martin Schuster: Prüfungsangst und Lampenfieber. Bewertungssituationen vorbereiten und meistern. 1997. und Hans-Joachim Weiß: Prüfungsangst. Wie entsteht sie? Was richtet sie an? Wie begegne ich ihr? 2. Aufl. 1997.

Die Darstellung ist praxisnah, vieles mußte über den Daumen gepeilt werden; deshalb wurde auf ausführlichere wissenschaftliche Analysen wie auf rechtfertigende Literaturverweise verzichtet.

II. Technische Vorbereitungen

1. Offizielle Papiere besorgen!

Der erste Schritt zur Prüfungsvorbereitung ist die möglichst lückenlose Beschaffung aller offiziellen Papiere, die über die Prüfung existieren. Dazu gehören v.a. die offizielle Prüfungsordnung, die Studienordnung (s. dazu die Auflistung ‘Wo bekomme ich’ im kommentierten Vorlesungsverzeichnis; ist auch im Netz über das Deutsche Seminar zugänglich), dazu gegebenenfalls alle Formblätter, offizielle Kommentare, Merkblätter etc. Alle diese Papiere sollten exakt durchgearbeitet werden. Dies ist keine verlorene Zeit. Nichts wäre schlimmer, als wenn Sie viel Zeit und Energie zur Prüfungsvorbereitung investieren, aber am Ende feststellen, daß Sie diese gar nicht ablegen können, weil irgendeine kleine formelle Bestimmung nicht bedacht worden ist.[1]

Am Ende dieses meist nicht sehr abwechslungsreichen, aber notwendigen ‘Studiums’ sollten Sie sich folgende Fragen stellen:

– Sind alle formellen Bedingungen, die in Prüfungsordnungen genannt sind, erfüllbar? Können Sie alle Papiere und Voraussetzungen beibringen, die benötigt werden?

– Haben Sie Möglichkeiten, evtl. fehlende Unterlagen noch zu beschaffen, sie nachzureichen, Ausnahmegenehmigungen zu erreichen?

– Wenn ja, reicht die Zeit dazu noch aus?

– Bleibt noch Zeit für die individuelle Prüfungsvorbereitung?

Die Antworten auf diese Fragen stellen strikte Rahmenbedingungen für die zu absolvierende Prüfung dar. Sind sie negativ, bleibt grundsätzlich nur die Lösung einer Verschiebung des Prüfungstermins.

2. Inoffizielle Informationen einholen!

Neben den offiziellen Informationen über eine Prüfung gibt es an jeder Uni eine Vielzahl von inoffiziellen Informationen, die man einholen sollte. Beispielsweise, welche Bestimmungen der offiziellen Prüfungsordnung besonders strikt, welche etwas laxer eingehalten werden, welche Sitten und Gebräuche sich bei einzelnen Prüfern eingeschlichen haben, etc. Allerdings sind Informationen dieser Art kritisch zu sichten, da ihr Zustandekommen meist nicht kontrolliert werden kann und viele subjektive Momente mit eingehen. Trotzdem könnten die folgenden Quellen benützt werden:

a) Fachschaften

Bei den Fachschaften liegen Sammlungen von Prüfungsthemen[2] oder Gedächtnisprotokolle auf. Da diese inoffiziell aus dem Gedächtnis der Prüflinge rekonstruiert wurden, geben sie den exakten Wortlaut nicht wieder. Außerdem veralten diese Sammlungen nach einiger Zeit, wenn sie nicht kontinuierlich revidiert werden. Sie können jedoch zumindest einen groben Eindruck über das Spektrum der Prüfungsgebiete vermitteln (und alle ExamenskandidatInnen sind hiermit schon jetzt gebeten, sich nach ihren eigenen mündlichen Prüfungen der kurzen Mühe zu unterziehen, ein Gedächtnisprotokoll zu erstellen, um den Nachfolgern Hilfestellung zu geben).

Die Studentenvertretung kann evtl. auch Informationen über die Prüfer geben, soweit diese vor der Prüfung bekannt sind. Dies ist insbesondere bei mündlichen Prüfungen wichtig. Man sollte sich grob orientieren, welche besonderen Vorlieben oder Abneigungen der jeweilige Prüfer bisher gezeigt hat, welche Marotten von ihm bekannt sind, in welcher Weise er seine Fragen zu stellen pflegt. So gilt beispielsweise bei den mediävistischen Prüfern, daß es lohnend ist, sich gut auf das laute, metrisch korrekte Lesen vorzubereiten. Aber auch hier gilt: dies soll lediglich als erster Grobeindruck gewertet werden; verlassen kann man sich auf derartige Angaben nicht.

b) Studenten, die die Prüfung schon abgelegt haben

Die Befragung von Studierenden, die die gleiche Prüfung absolviert haben, bietet sich natürlich an. Jedoch sind auch hier gewisse Vorsichtsmaßnahmen am Platz. Generell besteht die Tendenz, die Prüfung gegenüber einem künftigen Kandidaten als schwieriger darzustellen, als sie in Wirklichkeit ist. Entweder hat nämlich der Informant die Prüfung selbst bestanden, dann wertet er sich und seine Leistung auf, wenn er die Prüfung als besonders schwierig darstellt. Hat er sie dagegen nicht bestanden, muß er sie als schwierig deklarieren, um sein eigenes Versagen damit zu entschuldigen. Deshalb sollte man eher die Informationen aus den ehemaligen Prüflingen herausholen, die sich nicht unbedingt auf den Schwierigkeitsgrad beziehen, sondern auf die Art und Weise der Prüfung. Bei den Staatsexamina gibt es die Möglichkeit, sich selbst einen Eindruck zu verschaffen, indem man (auf Antrag) bei Freunden einmal zuhört – vorzugsweise, wenn es deren zweites Fach ist und sie schon gelassener reagieren.

c) Mittelbau

Hier sollte man sich auf eher unverbindliche Fragen nach Schwerpunkten der Prüfung und der Prüfungsart beschränken und keine detaillierteren Auskünfte, beispielsweise über das konkrete Prüfungsthema oder die konkrete Prüfungsfrage erwarten (zumal der Mittelbau nicht am Staatsexamen beteiligt ist). Entweder weiß der Gesprächspartner derartige konkrete Angaben selbst nicht, oder er kommt in einen moralischen Konflikt, den man ihm, auch im Sinne einer weiteren Zusammenarbeit, ersparen sollte.

d) Prüfer

Die Vorstellungsgebräuche sind nach Fächern unterschiedlich geregelt. Insbesondere bei mündlichen Prüfungen sollte man einige Zeit vorher das Gespräch suchen. Es empfiehlt sich, die Sprechstundenzeit korrekt einzuhalten, gegebenenfalls auch eine vorherige Anmeldung. Eine unverbindliche Einleitung des Gesprächs wäre z. B. die Frage, daß man sich im Moment über die bevorstehende Prüfung Gedanken macht, die Prüfungsvorbereitung plant und eine Rat erbittet, auf welche Gebiete ein besonderer Schwerpunkt gelegt werden soll.[3] Wichtig ist, das Gespräch nicht zu lang auszudehnen und nicht den Eindruck entstehen zu lassen, als wollte man den Prüfer aushorchen. Je konkreter die eigenen Vorstellungen sind, um so besser kann einem der Prüfer raten. Dabei sollte das Wort ‚eingrenzen’ vermieden werden – auch im eigenen Interesse: je kleiner das Prüfungsgebiet ist, um so vertrackter werden die Fragen. Mit größeren Gebieten, die in der Prüfung auch Ausweichmöglichkeiten bieten, arbeitet es sich besser.

3. Umgebung informieren!

Die Zeit der Prüfungsvorbereitung ist nicht unbedingt die angenehmste im Leben. Häufig wird man die Versuchung spüren, daraus auszubrechen. Wenn dann mitten in der Lektüre eines wichtigen Buches jemand zum Baden einlädt, wenn inmitten des simulierten Prüfungsgesprächs Freund oder Freundin plötzlich Bedürfnisse nach Zärtlichkeiten entdecken oder die Eltern meinen, daß jetzt der Rasen gemäht werden müsse, so sind dies Versuchungssituationen, denen man dann leicht nachgibt. Vorbereitungslücken und spätere Schuldgefühle sind die Folge. Nichts gegen Baden, Zärtlichkeiten und Rasenmähen, auch während der Prüfungsvorbereitung, aber gezielt als Pausen eingesetzt und nicht überraschend von außen vorgeschlagen.

Sowohl die innere (Eltern, Geschwister, Ehe-/Lebenspartner) als auch die äußere Umgebung (Freunde, Kollegen, Verwandtschaft) sollten also darüber informiert werden, daß man die kommende Prüfung plant und gebeten werden, den eigenen Zeitplan eher zu unterstützen als zu stören. Für die meisten mag es eine kleine Überwindung kosten, dieses „soziale Netz“ aufzuspannen, das einen an der Prüfungsvorbereitung halten soll; jedoch ist es immer noch einfacher, sich zum jetzigen frühen Zeitpunkt dazu zu überwinden, als im konkreten Fall die Horde der Kumpels abzuweisen, die überraschend mit Badehose, Tennisschläger oder Skiern vor der Türe steht. Bitten Sie also Ihre Bezugspersonen, Sie nicht in Versuchung zu führen!

4. Analyse bisheriger Prüfungserfahrungen

Als Erwachsener geht man in keine Prüfung ohne Vorerfahrung. Man hat in verschiedenen Bereichen schon Prüfungen abgelegt, sei es an verschiedenen Schulen, Behörden, Vereinen, Organisationen. Man hat Erfahrungen mit Prüfern, Prüfungsformen und auch mit sich selbst, mit seinem eigenen Verhalten in Prüfungen gesammelt. Dieser Erfahrungsschatz sollte für die künftige Prüfung unbedingt genutzt werden. Eine Hilfe ist dabei das folgende Formblatt, das Sie in dieser oder einer ähnlichen Form für sich ausfüllen sollten!

Formblatt Analyse und Auswertung bisheriger Prüfungserfahrungen

 

Bezeichnung der Prüfung:...........................................................................................................................

1. Erfolg der Prüfung

□ erwünschter Erfolg erreicht?

□ erwünschter Erfolg nicht erreicht?

□ nicht bestanden?

2. Welche Arbeits- und Lerntechniken habe ich bei dieser Prüfung angewandt?
3. Welche Schwierigkeiten sind bei der Prüfungsvorbereitung und bei der Prüfungsdurchführung aufgetreten?
4. Wie ist die Ähnlichkeit der künftigen Prüfung zu der hier beschriebenen?

□ sehr ähnlich

□ etwas ähnlich

□ unähnlich

5. Welche positiven Erfahrungen kann ich für die künftige Prüfung übernehmen?
6. Welche Fehler möchte ich aufgrund meiner Vorerfahrung unbedingt vermeiden?

Können Sie insbesondere bei den letzten beiden Fragen feststellen, daß sich manche Erfahrungen bei mehreren Prüfungen gezeigt haben, so schreiben Sie ein paar Merksätze daraus auf ein großes Blatt Papier, das Sie an die Türe Ihres Zimmers kleben.

Beispiel: Sich nicht in Einzelheiten verlieren

Öfters kürzere Pausen

Mut zur Lücke etc.

5. Erstellung eines Zeitplans

Wichtig ist es, keine Pflichten in die Prüfungszeit überhängen zu lassen. Wenn noch Hausarbeiten bzw. die Zulassungsarbeit anstehen, sollte dort lieber eine schlechte Note riskiert werden (die im Endeffekt nicht zählt), als durch übertriebenen Ehrgeiz die Vorbereitungszeit einzuschränken oder eine Verzögerung der Prüfung zu riskieren. Eine der häufigsten Klagen bei Prüfungsvorbereitungen ist der Stoßseufzer „Zu wenig Zeit!“ Und zwar ist die Zeit immer zu kurz, sei sie auch doppelt so lang! Dem kann man nur durch eine exakt ausgearbeitete Planung begegnen, die einem die Korsettstangen für eine Prüfungsvorbereitung liefert, an denen man sich entlangarbeitet. Außerdem ist ein derartiger Plan eine gute Hilfe gegen Mutlosigkeit und Motivationsmangel. Man hat nämlich nicht mehr das eine drohende Ziel der Prüfung vor Augen, sondern teilt sich den Weg dorthin in kleinere Abschnitte auf, setzt sich Zwischenziele und hat eigentlich immer ein kleines Erfolgserlebnis, wenn man eines dieser Zwischenziele wieder erreicht hat.

Es empfiehlt sich, den Zeitplan in zwei Stufen zu erstellen, sich erst eine Grobgliederung und dann eine Detailgliederung vorzunehmen. Zur Grobgliederung setzen Sie Ihre gesamte Vorbereitungszeit gleich 100% , gerechnet vom heutigen Tag bis zum Datum der Prüfung bzw. zum Datum der ersten Prüfung, wenn diese aus mehreren Teilen besteht.

Es empfiehlt sich, die Gesamtvorbereitungszeit in Zeiteinheiten aufzuteilen. Eine Zeiteinheit kann also z.B. 1 Tag sein, wenn drei bis vier Monate Vorbereitungszeit zur Verfügung stehen, es kann aber auch 1 Stunde sein, wenn die Prüfung schon nächste Woche stattfindet. Diese Gesamtvorbereitungszeit sollten Sie in bestimmte Phasen aufteilen, die im folgenden beschrieben sind. Die dabei empfohlenen Prozentsätze sind nicht „wissenschaftlich erwiesen“, sondern stammen aus der Erfahrung des Autors und aus der Diskussion mit sachkundigen Kollegen und Studenten. Sollten Sie aufgrund Ihrer eigenen Erfahrung eine andere prozentuale Einteilung bevorzugen, so richten Sie sich lieber nach ihren eigenen Werten.

 

Phase                                                          Zeitbedarf

Technische Vorbereitung                         5% der Zeit

Informationsaufbereitung                       35% der Zeit

Informationsverarbeitung                       15% der Zeit

Externe Kontrolle                                    5% der Zeit

Wiederholung                                           5% der Zeit

Freizeit                                                   20% der Zeit

Reservezeit                                             15% der Zeit

                                                             100% der Zeit

 

Erläuterung:

Technische Vorbereitung                                    5% der Zeit

Zur technischen Vorbereitung der Prüfung gehören neben dem schon genannten Studium der Prüfungspapiere und dem Einholen der informellen Informationen, Gänge zu Behörden, die Besorgung von Zeugnissen, Bescheinigungen, Unterlagen, die Anmeldeprozedur, die Verständigung der Umgebung, eventuell auch die Organisation einer Vorbereitungsgruppe mit Kollegen, die Besorgung der notwendigen Literatur, Kopieren und natürlich auch die Erstellung des Zeitplans, also das, wovon im Moment die Rede ist.

Informationsaufbereitung                                  35% der Zeit

Eines der Grundprinzipien, das dem vorliegenden Programm zur Prüfungsvorbereitung zugrunde liegt, ist die Teilung von Informationsaufbereitung und Informationsverarbeitung. Darunter ist folgendes zu verstehen: In der Aufbereitungsphase sollen alle Informationen, die Sie bei der Prüfung beherrschen wollen, gesucht, gesammelt und so aufbereitet werden, daß Sie optimal mit ihnen umgehen können. Im Endeffekt haben Sie also am Ende dieser Phase all das, was Sie wissen und können wollen „auf Papier“, sei es nun in Karteikarten, Dateien, Aktenordnern, etc. Informationsaufbereitung heißt also Sammeln, Lesen, Exzerpieren, Gegenüberstellen, Analysieren des Lernstoffs. Diese Tätigkeiten werden von den meisten Studierenden nicht einmal als unangenehm empfunden. Ein zweiter nützlicher Effekt dieser Tätigkeit ist, daß man natürlich dabei schon indirekt eine ganze Menge vom Stoff selbst lernt, ohne daß man sich verpflichtet fühlen muß, „zu büffeln“.

Informationsverarbeitung                                  15% der Zeit

In dieser Phase droht also die Aufgabe, all das, was auf dem Papier steht, auch in den Kopf hineinzubringen und zu üben, es von dort wieder aufs Papier (bei schriftlicher Prüfung) oder „an den Mann“ (bei mündlicher Prüfung) zu bringen. Diese Phase wird meist als die unangenehmste der gesamten Prüfungsvorbereitung angesehen.

Externe Kontrolle                                               5% der Zeit

Natürlich wird man im Laufe der Prüfungsvorbereitung immer wieder für sich selbst zu kontrollieren versuchen, ob man das kann, was man sich vorgenommen hat zu können. Dies reicht jedoch sicher nicht aus. Viele Angestellte in Wirtschaftsunternehmen laufen nach einiger Zeit Gefahr, „betriebsblind“ zu werden, d.h. alle Ereignisse, Geschehen, Informationen, nur noch unter dem Blickwinkel ihres eigenen Betriebs zu sehen und somit den Überblick über die übergreifenden Zusammenhänge verlieren. So werden Prüflinge bei ihrer Prüfungsvorbereitung „vorbereitungsblind“, d.h. sie verrennen sich in irgendein Schema, übersehen wichtige Gebiete oder kaprizieren sich auf unwichtige Theorien. Dies soll durch eine externe Kontrolle verhindert werden.

Wiederholung                                                      5% der Zeit

Bekanntlich ist es leider nicht damit getan, irgendeinen Stoff zu einem beliebigen Zeitpunkt einmal beherrscht zu haben, sondern man muß ihn zu dem Zeitpunkt beherrschen, an dem er gefragt ist. Gerade bei Prüfungen, die aus mehreren Fächern bestehen, ist man in Gefahr, den Stoff in einem Fach bereits vergessen zu haben, weil man inzwischen sich mit anderen Fächern beschäftigen mußte. Um das zu verhindern, sollen Wiederholungsphasen eingeplant werden.

Freizeit                                                              20% der Zeit

Der Mensch ist kein Computer, den man unermüdlich mit Informationen füttern kann und der diese Informationen so lange verarbeitet, wie der Strom eingeschaltet ist. Vielmehr hängt die Fähigkeit zur Speicherung und Verarbeitung von Informationen stark von Motivationen, Emotionen, Stimmungen etc. ab. Diese wiederum sind davon beeinflußt, was außer der Prüfungsvorbereitung sonst noch getan wird. Freizeit und Pausen während der Prüfungsvorbereitungszeit sind also keine „verlorene“ Zeit, sondern im Gegenteil unumgänglich notwendig. Planen Sie also Ihre Freizeit mit ein; sie gehört mit in das gesamte System. Was Sie jedoch in ihr machen, bleibt Ihren Vorlieben überlassen. Aus der Lernpsychologie kann man höchstens den Rat entwickeln, in der Freizeit Tätigkeiten durchzuführen, die sich möglichst in vielen Aspekten von der Prüfungsvorbereitung unterscheiden. In diesem Sinne wäre also „den Rasen des Vorgartens zu mähen“ für jemanden, der sich auf eine Literaturprüfung vorbereitet, günstiger als „einen Roman zu lesen“. Vor allem sollte man sich der Kollektivneurose der Examensgruppen ab und zu entziehen.

Reservezeit                                                       15% der Zeit

Trotz aller exakten Planung und trotz der Korsettstangen, die Sie sich schaffen, gibt es immer wider Ereignisse, die Ihre Vorbereitung durcheinanderbringen: unerwarteter wichtiger Besuch, Bauchgrimmen oder auch ein Fehler bei der Abschätzung des Arbeitsaufwands auf ein bestimmtes Fach. Um dadurch nicht den gesamten Vorbereitungsplan über den Haufen zu werfen, sollte man Reservezeiten („Pufferzeiten“) mit einplanen. Nicht verbrauchte Reservezeit sollte man nach individueller freier Wahl entweder der Freizeit zuschlagen, oder zu einer freiwilligen „Politur“ des Kenntnisstandes verwenden.

Wie geschieht nun die Umsetzung dieser Prinzipien in einen konkreten Detailplan?

Notwendigstes Utensil dazu ist natürlich ein großer Kalender, in dem man sich die täglichen (oder stündlichen) Aufgaben und auch die zugehörigen Pausen und Reservezeiten einträgt. Steht nur eine Prüfung in einem einzigen, zusammenhängenden Fach an, so bereitet dies normalerweise keine Schwierigkeiten. Problematischer ist der Fall einer punktuellen Prüfung in mehreren Fächern oder Teilgebieten. Da in diesem Fall der Stoff mehrerer Fächer nahezu gleichzeitig präsent sein muß, empfiehlt es sich nicht, zunächst ein Fach vollständig zu „lernen“ und dann zum nächsten überzugehen.

Plausibler ist die Vorbereitung im Sinne eines „Spiralmodells“, in dem zunächst der Stoff jedes einzelnen Fachs nacheinander aufbereitet, dann nacheinander verarbeitet, dann nacheinander wiederholt. wird. Da sich die Phasen zeitlich immer mehr verkürzen (s.u.), arbeitet man also konsequent auf einen Endpunkt hin, der simultanen Beherrschung des Stoffes aller Fächer. Dieses Modell gestattet es auch besser als ein rein „additives“, Querbezüge zwischen den einzelnen Fächern aufzudecken, die auf jeden Prüfer Eindruck machen.

Wenn mehrere Prüfungen in einem Fach oder in mehreren Fächern anstehen, ergibt sich noch als weiteres Problem, daß eine völlig gleiche zeitliche Gewichtung für jedes Fach nicht zu empfehlen ist. Vielmehr sollte der Aufwand für jedes Fach etwa nach folgenden Kriterien gewichtet werden.

– bisheriges Wissen und Können in dem Fach

– Gewicht der Note in der Prüfung

– individueller Schwierigkeitsgrad des Faches

– Umfang des Stoffes

– eigenes Anspruchsniveau bezüglich der Note etc.

All diese Kriterien berücksichtigend, sollte man für jedes Fach eine Gewichtszahl abschätzen, die etwa von 1 (geringstes Gewicht) bis 5 (höchstes Gewicht) reichen kann.

Bezüglich der Reihenfolge der Bearbeitung der einzelnen Fächer könnten noch zwei weitere Prinzipien wichtig sein:

a) Beginnen sollte man mit einem Fach, das einem „liegt“, um die bekannte Anfangshemmung bei jeder Arbeit zu überwinden. Das für einen selbst schwierigste Fach sollte dann an 2. oder 3. Stelle bearbeitet werden, da hierbei noch genügend Energie zur Verfügung stehen und andererseits der Zeitplan bei erheblichen Schwierigkeiten noch genügend unverbrauchte Reserven enthält.

b) Wenn möglich sollte darauf geachtet werden, daß Fächer mit sehr ähnlichen Inhalten möglichst zeitlich getrennt bearbeitet werden, um Ähnlichkeitshemmungen (bzw. „Interferenzen“) zu vermeiden. Erst wenn ein Überblick über das Stoffgebiet erreicht ist, sollten in einem getrennten Schritt übergreifende Zusammenhänge gesucht werden.

Konkret soll die Erstellung eines Detailzeitplans an folgendem Beispiel illustriert werden:

Prüfung:                                   Mündliche Prüfung Staatsexamen Deutsch

                                                Schwerpunkt Literatur; 3 Teilgebiete:

                                                NDL (30 min), Linguistik (15 min), Mediävistik (15 min)

Beginn der Vorbereitungszeit  1. August

Prüfungstermin                        15. Oktober

Gesamte Vorbereitungszeit     69 Tage = 69 Zeiteinheiten = 100%

Rechnet man die Gesamtzeit nach den genannten Prozentsätzen um, so bleiben, leicht gerundet und korrigiert für die einzelnen Phasen der Vorbereitungszeit folgende Zeiträume zur Verfügung:

Technische Vorbereitung                                  3 Tage

Informationsaufbereitung                               24 Tage

Informationsverarbeitung                               10 Tage

Externe Kontrolle                                             4 Tage

Wiederholung                                                   4 Tage

Freizeit                                                           14 Tage

Reservezeit                                                     10 Tage

                                                                       69 Tage

Bezieht man die Gewichtung der einzelnen Fächer ein, die natürlich im Beispielfall völlig fiktiv ist (daß z.B. Mediävistik stärker gewichtet ist als Linguistik erklärt sich, wenn man einen mediävistischen Prüfer annimmt, der stärkeres Gewicht auf sein eigenes Fach legt), so ergibt sich für die beiden wesentlichsten Vorbereitungsphasen der Informationsaufbereitung und Informationsverarbeitung leicht gerundet folgende Zeittabelle

Fach                                                 Gewicht                 Aufbereitung             Verarbeitung

NDL (3 Hauptgebiete)                     4                            12 Tage                               5 Tage

Mediävistik (2 Hauptgebiete)           3                              7 Tage                               3 Tage

Linguistik (2 Hauptgebiete)              2                              5 Tage                               2 Tage

                                                                                       24 Tage                             10 Tage

Nehmen wir jetzt noch folgende Besonderheiten an, die im Laufe der Prüfungsvorbereitung eintreten werden:

17. August: Geburtstag

19. September: Fußball-Länderspiel, Karten bereits bezahlt

22. September: lang ersehnter Besuch einer Jugendfreundin

7. Oktober: großes Familienfest

Alle Gegebenheiten eingearbeitet, könnte nun ein Zeitplan beispielsweise so aussehen:

August

September

Oktober

1.    -

1.     

1.    Freizeit

2.    -

2.     

2.    Verarbeitung Linguistik

3.     

3.     

3.     

4.     

4.    Kontrolle

4.    Kontrolle

5.     

5.    Reserve

5.    Reserve

6.     

6.    Freizeit

6.    Reserve

7.    Technische

7.    Aufbereitung Linguistik

7.    Freizeit

8.       Vorbereitung

8.       

8.    Wiederholung Mediävistik

9.     

9.    Reserve

9.    Freizeit

10.Reserve

10.Freizeit

10.Wiederholung NDL

11.Aufbereitung Mediävistik

11. 

11. 

12.   

12. 

12.Reserve

13. 

13. 

13.Wiederholung Linguistik.

14. 

14.Kontrolle

14.Freizeit

15. 

15.Freizeit

15.Prüfung

16. 

16.Freizeit

 

17.Freizeit

17.Reserve

 

18. 

18.Verarbeitung Mediävistik

 

19.Kontrolle

19.Freizeit (Länderspiel)

 

20. Reserve

20. 

 

21.Aufbereitung NDL

21.

 

22.Freizeit

22.Freizeit (Freundin)

 

23. 

23.Verarbeitung NDL

 

24. 

24. 

 

25. 

25. 

 

26. 

26.Freizeit

 

27. 

27. 

 

28.Freizeit

28. 

 

29. 

29.Reserve

 

30.  

30.Reserve

 

31. 

 

 

III. Informationsaufbereitung

Wie schon angedeutet, wird empfohlen, innerhalb der Prüfungsvorbereitung die Phasen der Informationsaufbereitung und der Informationsverarbeitung zu trennen. Hauptaufgabe der Phase der Informationsaufbereitung ist das Sammeln der für die Prüfung relevanten Literatur, das Extrahieren des Stoffes, der für die Prüfung relevanten Literatur, das Extrahieren des Stoffes, der für die Prüfung als wichtig erscheint und die gegliederte Zusammenstellung des Lernstoffs in einer Form, die die Einprägearbeit erleichtert. Diese Arbeitsphase nimmt bereits einen Großteil der Lernarbeit vorweg. Auf eine Gefahr soll jedoch aufmerksam gemacht werden: Manche Studenten entdecken in dieser Phase der Prüfungsvorbereitung erstmals, wie interessant eigentlich ihr Fach ist. Sie entdecken Querbezügen zwischen einzelnen Autoren, unbeantwortete Fragestellungen, interessante Ergebnisse. Dies führt leicht dazu, den zeitlich gegebenen Rahmen zu überschreiten. So erfreulich die Steigerung des Interesses unter wissenschaftlichem Gesichtspunkt ist, so negativ wirkt sich dies auf die Gesamtprüfung aus. Aus diesem Grunde ist gerade in der Phase der Informationsaufbereitung, die ja am meisten Zeit beansprucht, auf eine möglichst exakte Einhaltung des vorher gegebenen Zeitplanes zu achten. Eine Revision des Zeitplans sollte nur unter extremen Bedingungen stattfinden; wenn sich ein Lerngebiet als umfangreicher erweist, als vorher angenommen, sollten die eingeplanten Reservezeiten als Ausgleich ausreichen. Im einzelnen ist in der Phase der Informationsaufbereitung folgendes zu leisten:

1. Zusammenstellung der Materialien

In der Phase der technischen Vorbereitung hatten Sie sich wahrscheinlich schon die schriftlichen Materialien zur Prüfungsvorbereitung besorgt. Während der Informationsaufbereitung sollten Sie nur in Ausnahmefällen weitere unbekannte Literatur heranziehen.

Die erste Aufgabe ist, die einzelnen Bücher, Zeitschriftenartikel, Kopien, Skripten, Mitschriften, Referate zum jeweiligen Fach zusammenzustellen und ein bißchen vorzuordnen. Allzu penibel bracht man jedoch hierbei nicht zu sein, da sich im Laufe der Beschäftigung mit dem Inhalt ohnehin eine gewisse Struktur des Lernstoffs ergeben wird.

2. Abschätzung der Wichtigkeit einer Informationsquelle

Das eigentliche Durcharbeiten der Materialien beginnt mit einer Abschätzung der Wichtigkeit des Inhalts für die bevorstehende Prüfung. Damit verbunden ist eine grobe „Vorausorganisation des Inhalts“.

Folgende Indizien helfen dabei:

   Der Name des Autors: je berühmter, desto wichtiger das Buch (der Artikel, etc.); dazu kommt die „lokale Wertschätzung“ [wird mündlich im Examenskurs konkretisiert].

   Der Titel: Der Titel eines Buchs ist die kürzestmögliche Zusammenfassung des Inhalts

   Der Verlag: Im Laufe ihres Studiums werden Sie schon erfahren haben, daß es für bestimmte Themen bestimmte spezialisierte Verlage gibt, aus der auch die Seriosität des Inhalts abschätzbar ist [wird mündlich im Examenskurs konkretisiert].

      Das gilt auch für die Primärliteratur: unbedingt auf zitierfähige Ausgaben achten und üben, mit den wissenschaftlichen Apparaten umzugehen!

    Das Erscheinungsjahr: Neuere Literatur ist gegenüber älterer zu bevorzugen (Ausnahme: sogenannte „Klassiker“); besondere Vorsicht ist in der Mediävistik naturgemäß bei Literatur aus den 30’er Jahren des 20. Jahrhunderts geboten, besonders wenn im Titel „germanisch“, „Helden“ o.ä. auftaucht!

   Die „Paratexte“: Inhaltsverzeichnis, Klappentext, Vorwort bieten eine erste wissenschaftsgeschichtliche Einordnung (aus welcher „Schule“ kommt der Autor? an welche theoretische Diskussion schließt er sich an? Was will er erreichen?).

   Benutzung des Schlagwortregisters an Beispielen: Sucht man anhand des Schlagwortregisters einige, einem selbst bekannte Begriffe auf, erleichtert das die Einschätzung der Richtung des Autors und die Detailliertheit, mit der er bestimmte Themen behandelt.

   Kurzes, unsystematisches Durchblättern: Schließlich ist es nicht ganz nutzlos, ein bißchen (nicht länger als zwei oder drei Minuten) im Buch zu blättern, um sich einen eher unsystematischen, gefühlsmäßigen Eindruck vom Inhalt zu verschaffen. Die Sorgfalt des Layouts ist häufig schon ein Indikator für die Seriosität des Inhalts!

Nach dieser Abschätzung der Wichtigkeit der jeweiligen Schrift hat man bereits einen ersten Eindruck, wie intensiv man sich mit ihm zu beschäftigen hat.

3. Diagonales Lesen

Diagonales Lesen bedeutet eine eher flüchtige Durcharbeitung mit dem Ziel, eine Trennung in folgende drei Kategorien vorzunehmen.

a) Kerninformation, die unbedingt wichtig ist und exakt extrahiert werden sollte.

b) Zusatzinformationen, aus der man dann beispielhaft eine Auswahl trifft.

c) unwichtige Information, die nach dem diagonalen Lesen nicht weiter beachtet wird (kurioserweise wird man jedoch feststellen, daß selbst von dieser Information einiges hängenbleibt, ohne daß man sich weiter um sie bemüht hat!)

4. Exzerpieren wichtiger Information

Diese Arbeit mögen viele für überflüssig halten. Man könnte argumentieren, es reiche doch, wichtige Stellen in einem Buch anzustreichen oder zu kopieren, warum sollte man sich die Arbeit des eigenen Aufzeichnens. machen. Die Erfahrungen des Autors gehen in eine andere Richtung. Die Lernerfolge sind sehr viel größer, wenn man mit dem Stoff aktiv hantiert, ihn manipuliert, mit ihm spielt, seine Struktur fixiert, diese mit seinem eigenen Denkschemata vergleicht, also ihn „knetet“ und formt. Außerdem muß bei den meisten Prüfungen der Lernstoff aus mehreren Quellen zusammengestellt, vergleichen, komprimiert werden. Aber selbst wenn nur ein Autor oder ein Werk maßgebend sind, hat ein Prüfling sicher Gewinn, wenn er auf Parallelen oder Kontroversen mit anderen Ansichten hinweisen kann.

Das Exzerpieren sollte zunächst „ins Unreine“ und nicht in vollständigen Sätzen, sondern in kurzen, prägnanten Stichworten geschehen.

5. Strukturieren der Information

An den noch relativ unsystematischen Exzerpten sollte für jedes inhaltliche Teilgebiet ein strukturiertes Schema entwickelt werden, da folgende Kennzeichen haben könnte:

– Die Kerninformation ist in gegliederter Form aufgezeichnet (Thesen; markante Zitate aus den Primärtexten markiert, die es auswendig zu lernen lohnt).

– Ausgewählte Zusatzinformation, besonders schlagende Beispiele sind erwähnt, auf weitere Zusatzinformation wird verwiesen.

– Durch ein optisches Zeichen getrennt (z.B. andere Farbe) sind subjektive Stellungnahmen, eigene kritische Kommentare, Bezüge zum eigenen individuellen Lebensbereich angedeutet (Das letztere ist besonders wichtig. Banal ausgedrückt: der Lernstoff wird mit der eigenen Persönlichkeit assoziativ verknüpft.)

Folgende Generalregeln sind für die Strukturierung wichtig:
– Was man ohnehin kennt, nur andeuten

Es wäre unökonomisch, Dinge, die man weiß, auch noch ausführlich auszuformulieren.

– Drastik geht vor Ästhetik

Das Gliederungsprinzip sollte so deutlich wie möglich erkennbar sein. Auf eine besondere ästhetische Ausgestaltung (stundenlanges Formatieren am Computer!) muß nicht unbedingt Wert gelegt werden, wenn sie nur Verzögerungsmaßnahme ist.

– Verweise auf eigenes Erleben einbauen

Wie schon angedeutet, erscheint es aus lernpsychologischen Gründen günstig, den Bezug zum eigenen Leben zu suchen und schlagwortartig zu fixieren. Ob die Strukturierung des Lernstoffs auf einer Karteikarte, in einem Schulheft, auf einem Plakat, oder sonstwie erfolgt, ist eigentlich belanglos. Jeder möge hier das „Medium seiner Wahl“ bevorzugen. Als Hilfestellung sollen im folgenden einige Strukturierungsmöglichkeiten für wissenschaftlichen Stoff aufgezählt werden. Aus dieser Palette wird man sicher eine oder zwei Möglichkeiten finden, die auf den jeweiligen Lernstoff passen.

a) Dichotomisierung (Zweiteilung)

Gegenüberstellung von zwei Standpunkten, Alternativen, Argumentationsweisen.

Bspl. 1: Argumente für/gegen die Ausbreitung der 2. Lautverschiebung von Süden nach Norden.

Bspl. 2: Klassische versus romantische Auffassung vom Roman.

Bspl. 3: Weltliche und geistliche Elemente im ‚Gregorius’

b) Dimensionen

Durch einen komplexen wissenschaftlichen Stoff werden verschiedene „Schnitte“ gelegt.

Bspl. 1: Syntaktische Modelle. Vergleich unter den Gesichtspunkten

– Wortartenbeschreibung

– Kommunikative Relevanz

– Einbeziehung außersprachlicher Faktoren...

Bspl. 2: Novellentheorie

– Bezug zu den theoretischen Modellen der jeweiligen Epoche

– Verhältnis Einzelerzählung/Novellenzyklus

– Thematische Konstanten...

c) Matrizen

Zwei Dimensionen senkrecht aufeinander bezogen ergeben eine Matrix als Strukturierungs- (Ordnungs-)System.

Bspl. 1: Systematik der starken Verben in den verschiedenen Sprachstufen des Deutschen

Bspl. 2: Einordnung von Stoffen (Artusromane, Tristan, Heldendichtung etc.) in eine Matrix mit den Koordinaten ‚Welthaltigkeit’ und ‚Lehrhaftigkeit’.

d) Hierarchisierung (Über- und Unterordnung)

Über- und Unterordnungssysteme sind ausgesprochen gebräuchlich und fast für jedes Gebiet anwendbar.

Bspl. 1: Stammbaum der indo-europäischen Sprachen

Bspl. 2: Epochengliederung der Literatur der Neuzeit (mit Untergliederung nach Gattungen)

e) Funktionsablauf

Der Funktionsablauf gliedert ein Geschehen unter einen dynamischen Gesichtspunkt. Der Ablauf wird Schritt für Schritt aufgegliedert.

Bspl. 1: Strukturschema des Artusromans

Bspl. 2: Die Entwicklung des deutschen Verbsystems

f) Flußdiagramme

Ein Flußdiagramm ist als ein etwas komplizierterer Funktionsablauf anzusehen. Es enthält zusätzlich Kreisprozesse und Abfragen, die verschiedene Entscheidungsmöglichkeiten gestatten. Zum Gebrauch dieses Gliederungsschemas gehört allerdings einige Übung.

Bspl.: Aufbau einer Zeittafel mittelalterlicher Literatur in Abhängigkeit zur politischen und kulturellen Entwicklung

g) Graphische Darstellungen

Vieles, was in Worten schwierig auszudrücken ist, läßt sich geographisch oder bildlich einfacher erläutern.

Bspl. 1: Verhältnis Artushof/Gralshof und Artusgesellschaft/Gralsgeschlecht im ‘Parzival’

Bspl. 2: Landkarte der Sprachgesellschaften im Barock mit ihren Abhängigkeiten

h) Formelsprachen

Formelsprachen sind die kürzeste und abstrakteste Form der Gliederung von wissenschaftlichem Stoff.

Bspl.: Satzformeln in der Linguistik, die auch auf mhd. Syntax angewandt werden können.

6. Analyse des Literaturverzeichnisses

Fast jedes wissenschaftliche Buch, jeder Artikel, enthält ein Literaturverzeichnis, das für die Arbeit zugrundeliegende, aber auch weiterführende Literatur enthält. Es empfiehlt sich, dieses Verzeichnis kurz durchzugehen, aber nur in den notwendigsten Fällen zusätzliche Literatur zu besorgen. Wie schon angedeutet, sollte man sich dabei insbesondere dann bremsen, wenn man das Gebiet plötzlich als interessant empfindet. Nicht nur an dieser Stelle, sondern generell im Rahmen der Prüfungsvorbereitung muß häufig ein Prinzip verfolgt werden, das da lautet:

Mut zur Lücke!

IV. Informationsverarbeitung

Es wurde schon erwähnt, daß die Informationsaufbereitung bereits einen Gutteil des eigentlichen „Lernens“ vorwegnimmt. Trotzdem ist der Lehrstoff nach der Aufbereitung natürlich noch nicht „im Kopf“. Vielmehr folgt die recht mühsame Phase der Einspeicherung dessen, was man strukturiert auf seiner Karteikarte, in seinem Heft, auf seinem Plakat stehen hat. Das Grundprinzip der Informationsspeicherung kann wie folgt beschrieben werden:

1. Abgrenzung eines Stoffbereichs

Die Größenordnung der abzugrenzenden Stoffeinheit sollte dabei in einem Bereich liegen, der etwa einem mündlichen Vortrag von 5–10 Minuten entspricht (= durchschnittliche Länge der Zeit, die für ein Thema in der mündlichen Prüfung zur Verfügung steht! In dieser Zeit muß das Wesentliche gesagt werden).

2. Bearbeitung des Stoffes nach Prüfungsart ohne Unterlagen

Bei der mündlichen Prüfung würde man jetzt beispielsweise versuchen, mündlich eine kurze Darstellung des Stoffs zu liefern; bei einem Kurzaufsatz würde man die Gliederung aufs Papier bringen, etc.

3. Nachlesen der zugehörigen eigenen Aufzeichnungen

Danach erfolgt eine Kontrolle anhand der eigenen Aufzeichnungen, in welchen Lücken oder Fehler aufgetreten sind. War dies nicht der Fall, so sollte man den Vorgang ein zweites Mal wiederholen und dann zum nächsten Stoffabschnitt übergehen. In den meisten Fällen wird man jedoch Fehler oder Mängel entdecken. In diesem Fall empfiehlt sich eine kurze gesonderte Darstellung des Abschnitts, in dem diese Fehler enthalten waren, worauf ein neuer Gesamtdurchlauf des jeweiligen Stoffgebietes mit erneuter Kontrolle erfolgt. Wie oft man diesen Kreisprozeß durchläuft, hängt natürlich von der zur Verfügung stehenden Zeit und auch ein bißchen von dem eigenen Anspruchsniveau ab. Zuweilen wird man kleiner Mängel in Kauf nehmen müssen, um mit dem ganzen Stoff durchzukommen. Im allgemeinen empfiehlt es sich aber schon aus Gründen der Ermüdung und Sättigung, nicht mehr als drei bis vier Durchgänge durchzuführen.

Der skizzierte Grundplan muß je nach Prüfungsform modifiziert werde. Einen unabdingbare Regel, gegen die viel zu häufig verstoßen wird, ist, daß in der eigentlichen „Lernphase“ nicht nur das Einprägen des Wissens, sondern auch der jeweils verlangte Reproduktionsprozeß mit geübt werden muß. Wer sich für eine mündliche Prüfung nur durch Lesen und Schreiben vorbereitet, wird leider sehr negative Überraschungen erleben, wenn er gezwungen wird, den Stoff mit Kehlkopf und Zunge zu reproduzieren. Kein Wunder, er hat es ja nie vorher geübt. Deshalb einige Hinweise für die Informationsverarbeitung bei einzelnen Prüfungsformen:

Einzelprüfung mündlich

Beim Lernen laut vor sich hinsprechen! Wenn möglich, den Vortrag durch Kassette oder Video kontrollieren. Günstig ist es ebenfalls, den Stoff einen naiven Partner vorzutragen (falls dieser das aushält). Rechtzeitig auch üben, Texte vorzutragen! Bei mündlichen Prüfungen ist es besonders wichtig, nicht nur den kognitiven (gedanklichen) Durchblick zu haben, sondern den praktischen Vollzug auch life zu üben (s. Bsp. Skifahren). Nach dem Üben an Musterfällen sollte man Variationen einführen und dann auch auf eigene neue Problemstellungen übergehen.

Schriftliche Prüfung, Übersetzung und andere vorgegebene Aufgaben:

Die Informationsverarbeitung sollte zunächst im Nachübersetzen von Musterübersetzungen bzw. im Nachschreiben von bekannten Textkommentaren oder Etymologien bestehen, dann versuche man, die Musteraufgaben mehr und mehr abzuändern, dann Examensklausuren probeweise zu schreiben. Bei der Überprüfung der Richtigkeit empfiehlt es sich, eine private Fehlerliste aufzustellen, d.h. die Fehler, die man festgestellt hat, in Kategorien aufzugliedern und die Häufigkeit des Fehlers aufzuzeichnen. Die häufigsten Fehler sollten dann in einem Sonderdurchlauf eliminiert werden. Außerdem sollte eine Checkliste (für alle Aufgaben, auch für den Essay!) erstellt und gegebenenfalls auswendig gelernt werden, die dann anzuwenden ist, wenn man sich im Ernstfall verrannt hat. Je nach Aufgabentyp sieht diese Checkliste natürlich verschieden aus. Beispielsweise könnten aber folgende Fragen enthalten sein:

– habe ich genau die Verse übersetzt, die angegeben sind? überhaupt: alles beantwortet, was gefragt wurde?

– habe ich alle ‘false friends’ erkannt und entweder differenziert übersetzt oder dazu eine Anmerkung gemacht? sind gleiche Wörter jeweils gleich übersetzt?

– tauchen beim Essay alle Schlüsselbegriffe der Frage in meiner Antwort auf?

– ergeben meine Antworten auf die Teilfragen ein stimmiges Ganzes, v.a. stimmt meine Interpretation mit der Übersetzung überein? etc.

Schriftliche Prüfung, Aufsatz/Essay:

Die Vorbereitung eines interpretatorischen Essays sollte so geschehen, daß zuerst bekannte Interpretationen nachvollzogen werden (und auf ihre innere Struktur hin analysiert), dann folgt der Entwurf von Gliederungen zu eigenen Fragestellungen. Es empfiehlt sich darüber hinaus, ein bis zwei Themen in konkreter Weise (Stichworte zur Gedankenführung) auszuarbeiten. Da diese Prüfungsart im Studium selbst selten vorkommt, sollte man sich genau über die Anforderungen klarwerden: grundsätzlich gilt für einen Essay genau wie für jede andere schriftliche Arbeit, daß die Gliederung transparent sein muß, daß eine sinnvolle Hinführung zum Thema und eine Zusammenfassung mit Perspektivierung geschehen muß. Wichtig: alle Informationen nutzen, die auf dem Aufgabenblatt gegeben werden und die Gliederung im Blick auf die gesamte Klausur und nicht nur die Teilfrage formulieren.

V. Kontrolle

Das bisher beschriebene Verfahren der Informationsverarbeitung beinhaltet bereits einige Kontrollelemente. Trotzdem sollte noch eine externe Kontrolle, soweit möglich, erfolgen. Am besten eignet sich dazu eine Gruppe von Studenten, die sich der gleichen Prüfung unterziehen oder unterzogen haben. Die Prüfungssituation sollte dabei möglichst wirklichkeitsnah simuliert werden. Allerdings sei auf zwei Gefahren hingewiesen:

1. Die gestellten Fragen sind zu schwierig und zu differenziert

Sowohl bei Studenten, die sich mit auf diese Prüfung vorbereiten, als auch bei solchen, die die Prüfung bereits hinter sich haben, besteht die (vielleicht nur unbewußte) Tendenz, das eigne Wissen durch eine möglichst diffizile Fragestellung zu dokumentieren. Dem kann durch eine Vorabsprache begegnet werden. Man könnte z. B. vereinbaren, daß eine Frage von leichtem, eine von mittlerem und eine von hohem Schwierigkeitsgrad gestellt wird.

2. Ausarten zum Klamauk

Insbesondere bei mündlichen Prüfungen besteht leicht die Tendenz, der automatisch vorhandenen psychischen Spannung durch Heiterkeit und Klamauk auszuweichen. Diese Phasen sind unerheblich, wenn sie sporadisch auftauchen, gefährlich, wenn sie überhand nehmen. Nach einer simulierten Prüfung sollte in einer Manöverkritik auf folgende Fragen eingegangen werden:

– Wie war der Schwierigkeitsgrad der Fragen?

– Wie realistisch war das Verhalten des Prüfers?

– Wie wirkte das Verhalten des Prüflings, unabhängig von seinem Wissen?

 

Werden schriftliche Prüfungen simuliert, empfiehlt sich ein Vergleich der Lösungen, eventuell eine Ergänzung der Lösungen oder die Erstellung gemeinsamer Musterlösungen.

Nicht immer steht jedoch eine Prüfungsvorbereitungsgruppe zur Verfügung; nicht jeder Studierende hat auch das Bedürfnis, sich einer derartigen Gruppe anzuschließen. In diesem Fall kann man versuchen, sich allein eine „externe“ Kontrolle zu verschaffen. Bei mündlichen Prüfungen kann dies beispielsweise durch die Erstellung eines Fragenpools geschehen. Möglichst viele Fragen zum relevanten Thema werden auf Karteikärtchen geschrieben. In der Kontrollphase pickt man sich zufällig Fragen heraus oder läßt sie von einem gutwilligen und geduldigen Partner ziehen. Natürlich sollte, wie oben empfohlen, die Beantwortung mündlich geschehen und man sollte sich dabei so verhalten, wie man sich auch einem echten Prüfer gegenüber verhalten würde.

Ebenfalls für mündliche, aber auch für schriftliche Prüfungen geeignet, ist eine Kontrolle in Form einer Fragen- oder Themenmatrix. In der Senkrechten sind dabei typische Fragestellungen aufgeführt, wie sie in jenem Fach üblich sind oder verwendet wurden; die Waagerechte enthält die Angabe einer Stoffeinheit.

Beispiel (hier für den textbezogenen Beginn der mündlichen Prüfung in Mediävistik)

Inhalt:

 

Textabschnitt:

grammatische Bestimmung der Verbformen

metrische Analyse

Einordnung der Textstelle in den Gesamtzusammenhang

Parzival, v. 1–20

 

 

 

Tristan, v. 173–195

 

 

 

Stricker, ....

 

 

 

Durch das blinde Heraustippen eines Kästchens ergeben sich mögliche Fragestellungen, die in der verlangten Prüfungsart zu beantworten sind.

VI. Wiederholung

In den Wiederholungsphasen soll der gelernte Stoff noch einmal aktualisiert werden. Allerdings sollte man sich, da die Zeit begrenzt ist, auf die Darstellung der Grundstrukturen beschränken und nicht mehr alle Einzelheiten reproduzieren.

Das Prinzip des gleichzeitigen Übens der Reproduktionsformen sollte nur insoweit berücksichtigt werden, als die Zeit dafür ausreicht. Im zeitlichen Notfall müßte auch ein Überlesen der Grundstrukturen genügen. Treten in dieser Phase noch Wissenslücke auf, so sollten sie höchstens oberflächlich geschlossen werden, d.h. man behelfe sich mit eine paar Schlagworten. Eine Neuarbeit von Lernstoff ist nicht mehr möglich. Generalprinzip bei der Wiederholungsphase ist, daß der Gesamtüberblick wichtiger ist als Einzelheiten.

VII. Aktuelles Prüfungsverhalten

Eine gelungene Prüfungsvorbereitung ist zwar eine gute Voraussetzung für eine erfolgreiche Prüfung, trotzdem liegen auch in der aktuellen Prüfungssituation noch Möglichkeiten, sich besser oder schlechter zu verhalten. Leider spielen jedoch dabei individuelle und situative Momente eine sehr starke Rolle, so daß es ein gewisses Risiko darstellt, allgemeinere Regeln zu entwickeln. Trotzdem soll dies hier versucht werden.

1. Mündliche Einzelprüfung

a) Die Prüfung interessant gestalten!

Insbesondere, wenn Prüfer mehrere Stunden hintereinander mündliche Prüfungen abnehmen, treten bei ihnen Ermüdung, Sättigung und Langeweile auf. Dankbar werden sie deshalb jede Auflockerung des monotonen Ablaufs anerkennen. Im Prinzip ist der Prüfling eigentlich in der gleichen Lage wie ein Lehrender, der auch daran interessiert sein sollte, daß seine Zuhörer nicht einschlafen. Eigene Gliederungsvorschläge des Themas, markante Beispiele, mhd. Zitate, Darstellung von Gegenpositionen und sporadisch eingestreute eigene kritische Anmerkungen, sowie ein Sprachstil, der sich von der geschriebenen Sprache unterscheidet, könnten derartiges Interesse erzeugen.

b) Fragen vom Allgemeinen zum Besonderen beantworten!

Insbesondere bei Fragen, die nicht nur mit einem Wort zu beantworten sind, sondern ein breites Thema berühren, sollte man die Antwort „von oben nach unten“, also vom Allgemeinen zum Besonderen angehen. Es empfiehlt sich zunächst die groben Kategorien zu erläutern und dann sukzessive ins Detail zu gehen. Der Prüfer erhält dadurch den Eindruck, daß der Prüfling „Überblick hat“ und nicht nur den Lernstoff „auswendig herunterbetet“.

c) Die Reaktion des Prüfers beobachten!

Natürlich ist es etwas schwierig, in einer ohnehin angespannten Situation, wie sie eine Prüfung darstellt, einen Stoff gegliedert vorzutragen und gleichzeitig noch die Reaktion des Prüfers zu beobachten. Trotzdem sollte man dies zumindest versuchen. Dazu ist beispielsweise Voraussetzung, daß Sie Blickkontakt zum Prüfer halten, bei non-verbalen Indizien kann man beispielsweise bei der Darstellung einer Grobgliederung abschätzen, welche Unterpunkte dem Partner willkommen oder unwillkommen sind.

d) keine Ausreden, aber Alternativen!

Einige empirische Untersuchungen zum Prüfungsverhalten in mündlichen Prüfungen deuten an, daß immer das Bemühen des Prüflings durchscheinen sollte, die Prüfung erfolgreich absolvieren zu wollen. Unter diesem Gesichtspunkt ist es nicht günstig, eventuell auftretende Wissenslücken explizit zuzugeben. Vielmehr sollte man in diesem Fall versuchen, ein eigenes Lösungskonzept zu entwickeln.

„Ich könnte mir eine Lösung dieser Frage etwa so vorstellen...“, wäre beispielsweise ein Einleitungssatz dazu. Redewendungen wie „vor 10 Minuten habe ich es noch gewußt“ oder „Ich habe mich so gut vorbereitet, aber nun ist es wie weggeblasen“ oder ähnliches berühren den Prüfer dagegen meist peinlich und erzeugen selten die gewünschte Wirkung, nämlich eine Verbesserung der Note aus Mitleid.

2. Schriftliche Prüfung, Essay/Aufsatz

Die folgenden Ratschläge mögen trivial wirken und an Schulaufsätze der Unterstufe erinnern, aber die Erfahrung zeigt, daß im Staatsexamen häufig aus Panik die schlichtesten Grundregeln der Textproduktion ignoriert werden.

a) Unsystematische Stichwortsammlung

Zum Thema sollten zunächst möglichst viele Stichworte unsystematisch gesammelt werden, um zu gewährleisten, daß einem kein Aspekt des vorhandenen Themas entgeht.

b) Gliederung erstellen

Anhand der Stichwortsammlung sollte eine relativ detaillierte Gliederung erstellt werden. Im Rahmen der Prüfungsvorbereitungen haben Sie ja schon mehrfach geübt, Stoff im wissenschaftlichen Bereich zu strukturieren. Hier sollte nicht an der Zeit gespart werden. Die Gliederung sollte getrennt sauber aufgeschrieben und am Schluß mit dem Aufsatz abgegeben werden. Dies dokumentiert den eigenen Überblick über das Sachgebiet und ist gegebenenfalls ein Notnagel, falls man aus Zeitgründen nicht mehr in der Lage ist, alles auszuformulieren.

c) Nur in Ausnahmefällen aufsetzen!

Eine detaillierte Gliederung erspart in den meisten Fällen das Aufsetzen. Damit ist viel Zeit gewonnen. Es wird also empfohlen, nach der Gliederung sofort ins Reine zu schreiben und nur besonders schwierige Passagen vorzuformulieren.

d) Nicht zu detailliert in Einzelheiten gehen!

Eine Gefahr beim Aufsatz ist eine zu detaillierte Darstellung in einem Unterpunkt, während ein anderer zu kurz kommt. Dies läßt beim Korrektor ein Gefühl des Ungleichgewichts entstehen, das sich in der Notengebung ausdrückt. Korrektoren schätzen viel mehr eine gewisse „Ausgewogenheit“, außerdem beansprucht natürlich eine detaillierte Darstellung viel mehr Zeit. Lieber ein markantes Beispiel darstellen als alle Einzelfakten aufzählen!

e) Themafrage explizit beantworten!

Bei jedem Aufsatz steht das Horrorwort „Themaverfehlung“ immer am Horizont. Diesem kann man natürlich durch eine detaillierte Gliederung begegnen, aber auch dadurch, daß ein Gliederungspunkt auf alle Fälle enthalten sein sollte, der sinngemäß lautet: „Beantwortung der Fragestellung“ oder „Zusammenfassende Stellungnahme zur Frage der...“. Das kann als Schlußpunkt genutzt werden oder als Einleitung, in der auf jeden Fall alle Begriffe der Frage einmal auftauchen sollten.

3. Schriftliche Prüfung, Kurzfragen oder Übersetzung

a) Mit den leichtesten Fragen beginnen!

Ein fast triviale Ratschlag ist es, bei der beschriebenen Prüfungsform zunächst die leichtesten Aufgaben (etwa Metrik oder Etymologien) zu bearbeiten, um einen Grundstock zu haben. Dazu muß man sich am Anfang die Zeit nehmen, die gesamte Klausur durchzulesen und sich dann einen knappen Zeitplan aufzustellen, der am Ende noch Spielraum für einen Korrekturdurchgang läßt.

b) Sich nicht zu lange in eine Frage verbeißen

Es gehört eine gewisse Überwindung dazu, von der Bearbeitung einer Frage abzusehen, wenn man sich zu sehr in sie hineingearbeitet hat, ohne eine Lösung gefunden zu haben. Trotzdem sollte man sie zumindest vorübergehend aufgeben und eine Fortsetzung am Schluß der Prüfungszeit erwägen. Am Ende dann auf jeden Fall auch überprüfen, ob die Antworten in sich stimmig sind, also z.B. die vorgenommenen Formbestimmungen oder Etymologien mit dem überein gehen, was man übersetzt hat.

d) Bei Zeitnot Lösungsweg andeuten

Wie bei dem Aufsatz die Abgabe der Gliederung notfalls die letzte Rettung ist, so sollte man auch bei ‘technischeren’ Aufgaben wie Übersetzung oder Etymologien die letzten fünf Minuten dazu nutzen, kurz anzudeuten, wie man vorgegangen wäre, wenn noch genügend Zeit gewesen wäre, etwa in Form einer Inhaltsskizze oder Argumentationsparaphrase des Textes.

VIII. Verhalten nach der Prüfung

1. Prüfung nicht bestanden

In einigen Sagen und Märchen wurde den Prüflingen, die nicht bestanden hatten, jeweils der Kopf abgeschlagen. Heute dagegen können Sie meist ganz gut weiterleben, auch wenn die Prüfung mißglückt ist. Wenden Sie sich für einige Zeit etwas anderem zu, machen Sie Urlaub und erwägen Sie dann eine Wiederholung oder eine andere Studien- oder Berufsmöglichkeit.

2. Prüfung bestanden

Hier hat der Autor keinen Ratschlag bereit parat außer einem: Machen Sie, was Ihnen Spaß macht. Beobachtet wurde bisher folgendes:

– Besaufen,

– Einsamer langer Waldspaziergang,

– Beginn der Arbeit an der Dissertation,

– Turbulentes Fest,

– Urlaub,

– Heirat, ...

oder alles zusammen.



[1] Anmerkung für Tübingen: für das Staatsexamen: Segen des Oberschulamts einholen, für den Magister: Stempel von Ohlenroth.

[2] Anmerkung für TÜ: vollständige Zusammenstellung der Klausuren Mediävistik der letzten 20 Jahre im Sekretariat Mediävistik bei Frau Kröner, Zi. 410.

[3] Anmerkung für Tübingen: Welche mündlichen Gebieten in den letzten Semesters beim Oberschulamt ‚durch gekommen’ sind, läßt sich am schnellsten aus den Plakaten der letztsemestrigen PrüfungskandidatInnen entnehmen.

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