Während in der zweiten Jahreshälfte in der UB schon das meiste Geld ausgegeben ist und kaum noch positive Überraschungen fällig sind, sieht die Lage in Institutsbibliotheken ganz anders aus: Das Nahen des Haushaltsschlusses ruft das Dezemberfieber hervor, hektische Aktivitäten, um zugewiesene Mittel für die Literaturbeschaffung doch noch auszugeben. Das ist die Großkampfzeit der Institutsbibliothekarin! Doch lauschen wir einem Dialog der beiden Freundinnen Sonja Leporella (S.L.) und Carola Libretta (C.L.), den beiden wohlbekannten befreundeten Institutsbibliothekarinnen, die sich eines Abends nach der Arbeit im Spätherbst zu einem Spaziergang treffen: SL: Hey, grüß' Dich. Wo sollen wir hingehen? CL: Egal, Hauptsache, ich kann mir die Wut aus dem Leibe laufen. Mensch, nur noch zehn Tage bis zum Kassenschluß, und der Hanshuber kommt doch glatt an, hat noch reguläre Mittel übrig, und teilt mir mit, daß er zusätzlich noch Hiwi- in Literaturmittel umwidmet, jetzt, so kurz vor Kassenschluß! SL: Hm! Wieviel denn? CL: Satte fünftausend Mark, macht nochmal siebzig bis achtzig Bestellungen. Wenn die es doch nur einmal ein bißchen schaffen würden, ihre Mittel kontinuierlich auszugeben! Aber im Frühjahr, jaaa, da ist noch nicht klar, wieviel man hat, "Nicht wahr, Frau Libretta, auch im Sommersemester muß man tuuunlichst vorsichtig sein, nicht zu viel auszugeben", wenn endlich die Zuweisung im Mai/Juni kommt, ist gerade das Sommersemester voll am Laufen, danach ist man weg, egal ob Forschung oder Urlaub, weswegen man dann im Oktober vor der überraschenden Tatsache steht, daß drei Viertel der Mittel, die einem für Bücher zur Verfügung stehen, noch nicht ausgegeben wurden! Und dann noch diese Umwidmung! Weiß er doch auch schon mindestens ein Vierteljahr, daß er nicht genug Hiwiverträge gemacht hat, da könnte er doch im September sich schon drum kümmern! SL: Kenne ich ja, ist bei mir nicht anders. Und immer die Frage, ob denn nicht die Mittel übertragbar seien. CL: Übertraagbar, dann würden die das Spiel ad ultimo treiben, nie alles ausgeben, riesige Berge nicht verbrauchter Haushaltsmittel anhäufen... SL: Hihi, wie letzt in dem Artikel in TBI von diesem Bibliotheksleiter aus dem neunzehnten Jahrhundert, wo nicht verbrauchtes Geld der UB verliehen war... CL: Irgendsowas wäre es. Dabei müßte man eigentlich mehr ausgeben als zugewiesen ist, weil ja erfahrungsgemäß immer ein gewisser Teil nicht bis zum Haushaltsschluß geliefert wird, sondern später. Aber das hat mir noch kein Direktor abgenommen, daß das sinnvoll wäre, alle wollen sie nur das bestellen, was auch zugewiesen ist, bestellen natürlich zu spät und jammern dann wieder, obs wieder zugewiesen wird. Grauenhaft! SL: Immerhin, zweimal hat die Zentrale Verwaltung in letzter Zeit nicht verbrauchte Mittel wieder zugewiesen. CL: Aber nie vorher klar gesagt, ob es möglich ist oder nicht. Das hilft dann nichts, denn die Profs gehen dann auf Nummer Sicher und geben das Geld dann doch lieber aus. SL: Und nie reicht die normale Statistik, immer kommen sie zwei Wochen später an und wollen nochmal einen individuellen "Überblick". Klar, denn den haben sie ja nicht, verändert sich auch so unheimlich viel in zwei Wochen! Und wieder sitzt man da und wühlt sich durch die Bestellkartei, die in dieser Zeit besonders gefüllt ist. CL: Ach je, wenn ich jetzt nur an die Buchhändlerinnen denke! Die decken wir jetzt wieder notgedrungen mit Bestellungen zu, dabei haben die im Weihnachtsgeschäft genug zum Rotieren. Aber nein, wir müssen Druck machen, "Frau xy, könnten Sie bitte noch eine Vorausrechnung für diese Bestellungen ausstellen? Geht das noch? Ich danke Ihnen sehr!" - Ich habe noch nie eine Buchhändlerin erlebt, die Nein gesagt hätte. SL: Ich auch nicht. Dem Hörensagen nach machen die ja einen erklecklichen Anteil ihres Jahresumsatzes jetzt in der Vorweihnachtszeit. Möchte gern mal wissen, wie hoch hier in Tübingen davon wieder der Anteil von saumseligen Professoren ist, die einfach zu gedankenlos sind, auf die wiederholten Mahnungen ihrer Bibliothekarinnen zu hören, jetzt doch einfach mal zu bestellen. CL: Ich weiß auch nicht! Ich denke manchmal, daß die Profs oft genug selbst kaufen, Rezensionsexemplare bekommen und so, so daß sie selbst gar nicht mehr so drauf angewiesen sind. Deswegen kommt Hanshuber ja auch immer zu mir und ist sooo empört, daß wir dieses und jenes Buch nicht dahaben, dabei ists doch sooo wichtig für die Lehre. Hat er aber selber vergessen zu bestellen, da er's privat schon besaß. Dann aber den Moralischen mimen! SL: Und dann noch die Bestellungen, die die bringen: Ein Teil bereits im Bestand, ein anderer Teil schon bestellt, natürlich von denselben, dies jetzt nochmal bestellen, großes Erstaunen: "Können wir uns gar nicht vorstellen, wies kommt, Frau Libretta, unsere Hiwis haben es extra abgecheckt!", ein weiterer Teil graue Literatur, die garantiert nicht bis zum Kassenschluß kommt... CL: ... und dann der Teil, wo falsche Angaben gemacht werden. Ich kenne das! Und wieder darf man hindackeln und sagen, bitte um genauere Angaben, bitte um weitere Bestellungen, noch soundsoviel Mark ungedeckt! War mir doch der Meier-Schultze letztes Jahr symphatisch, der kapitulierte einfach und sagte: "Frau Libretta, die letzten vierhundert Mark weiß ich nicht unterzubringen! Beschaffen Sie Ersatz- oder Doppelexemplare von Büchern, die gebraucht werden." Sehr schön war das! SL: Aber nochmal zurück zum Haushalt: Was die auch nie kapieren, das sind die Bibliotheksrabatte. Könnte man echt abschaffen, aus der Sicht der Professoren. Die rechnen immer die Ladenpreise zusammen und sind dann bass erstaunt, dass es billiger kommt und jammern, dass sie dann noch einen Titel heraussuchen muessen. Das geht echt über deren Begriffsfähigkeit. CL: Na ja, die halsen sich einfach zuviel auf. Sie müßten sich ja nicht bis ums einzelne um die Bestellungen kümmern. Man kann das ja auch an seine Assis oder auch an eine Bibliothekskommission delegieren, schon hat man mehr als drei Viertel des Geschäfts los. Fragt sich nur, warum die immer ihre Fingerchen drinhaben wollen und denken, daß sie's checken. Aber so'n Professor kann eben alles, so wie die Pfarrer und Lehrer ... SL: Und Juristen! CL: ... echte Universalgenies! Nur daß man dann nicht geordnet arbeiten kann und für Bestellungen trommeln muß. Der eine bei uns, der schwärmt immer von der neuen CD-ROM WISO-line, sie sei einzigartig in seinem Fachgebiet, ideal auch für Studierende. Aber er kann sich dann allerdings doch wieder nicht durchringen, sie zu kaufen. Schwätzt dann wieder von einem noch billigeren Beschaffungsweg, über die Schweiz, denkt dann nicht dran, daß der Kassenschluß für ausländische Währung schlichtweg eine Woche früher ist, obwohl ich es ihm jedesmal sage. Bitte nicht drängeln! Zum Schluß entscheidet er sich dann doch für die in Deutschland erhältliche Version, jede Wette, aber erst in einer Woche, vier oder fünf Tage vor Kassenschluß, und ich darf dann vom Händler wieder Rechnungen per Fax anfordern ... SL: Au ja! CL: ... und bibbern, ob der Händler, den ich nicht kenne, dazu fähig ist. Letztes Jahr, bei einer anderen CD-ROM, gings glatt schief... SL: ... und dann noch schnell die Abstimmung hinbekommen, nicht wahr? CL: Ja. Ach, noch etwas: Letzt sprach ich mit Tine, Du weißt, die auf dem Schloß arbeitet. Weißt Du, was der passiert ist? SL: Nein. CL: Ich glaube, das war letztes Jahr: Da waren noch zweitausend Mark offen, den Profs ist nichts mehr eingefallen, da durfte sie auf Geheiß des Institutsdirektors zusammen mit ihrem Akademischen Rat, der die Bibliotheksdinge unter sich hat, in den Benesanderl gehen und Bücher aussuchen und vom Regal weg kaufen. SL: Nein! CL: Die Buchhändler haben sich erstmal auch blöd angestellt, sie sollte den Nachweis führen, daß sie einen Erwerbungsetat über 30.000 DM hat, damit sie den Bibliotheksrabatt bekommt. Na ja, vergiß es. Jedenfalls passierte, was passieren muß in so einem Kuddelmuddel: Ein nicht zu kleiner Teil war schon im Bestand oder bestellt, so daß Tine dann wieder verhandeln mußte, daß die Titel zurückgenommen wurden, außerdem mußte sie sie wieder von der Rechnung streichen und sich überlegen, was sie mit dem nun schon wieder offenen Geld anstellt. SL: Das ist unsäglich peinlich. Dabei kann man noch nicht 'mal etwas dafür! CL: Du sagst es. Schau mal, da drüben, das ist das Oktagon des Theologicums. Sieht echt schön aus, so beleuchtet, nicht wahr? SL: Ja! Ob die Kolleginnen dort weniger Sorgen haben als wir kleinen Institutsbibliothekarinnen? Die haben doch immerhin einen größeren Laden? CL: Glaub's doch nicht! Alte Fakultät. Traditionen und so. Und zu den Traditionen gehört garantiert, daß sie sich in Haushaltsdingen trottelig anstellen. SL: Dann haben sie bestimmt auch Handapparate. CL: Du sagst es. Mensch, komm', jetzt gehen wir da die Staffeln hinunter, am Kupferbau vorbei. Da hinten gibts eine kleine Kneipe, da können wir unseren biederen Angestelltenfrust ein wenig ersäufen. SL: Aber nicht zuviel! Ich halte mich eher an den Salat. Morgen müssen wir ja wieder. CL: Ja, morgen... A. Nonymus
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