Wortgeschichten: Etymologische Essays zu mittelhochdeutschen Begriffen Dr. Henrike Lähnemann
Wintersemester 2002/2003
Deutsches Seminar, Universität Tübingen

Wortgeschichten

Etymologische Essays zu mittelhochdeutschen Begriffen

erstellt von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Proseminars 'Einführung in die Sprachgeschichte'

Die 'Wortgeschichten' erläutern Bedeutung und Entwicklung wichtiger mittelhochdeutscher Begriffe an Beispielen aus dem 'Nibelungenlied'.
Zur Benutzung: Die Begriffe sind alphabetisch angeordnet und lassen sich über den Index aufsuchen. Die mehrfach zitierte Literatur ist gebündelt am Ende angegeben. Als Abkürzungen sind durchgängig gebraucht: NL für Nibelungenlied, Ahd. für Althochdeutsch, Mhd. für Mittelhochdeutsch.
bœse Elif Celikoglu, Yonca Yazici
dienst Katerina Kapelist, Ganna Yemelyanova
edel Sayaka Oki, Peter Weber
heimlich Inga-Viola Vicum
kranc Andreas Ehrfeld, Sarah Gayer, Kira Stiehr
loben Pritu Detemple
rîch Oleksandr Skopych
triuwe Lisa Rademacher
tugent Nadine Bosch, Melanie Süße
tump Karin Bürkert
vrum Katrin Bernhard, Sebastian Ruhnau
wider Dorothea Bäuerle
wîp Julia Gebert, Pamela Hahn, Bozsoka Malina
zîhen Reinhard Berron, Patrick Ebi
zît Amelie Keilwerth, Sonja van Eys

Handschrift B des Nibelungenlieds

Elif Celikoglu, Yonca Yazici

bœse

Verwandte Wörter

Bosheit (Substantiv; im Mhd., Ahd. bedeutet bôsheit auch Wertlosigkeit), Bösewicht (Substantiv; Mhd. bœsewiht, "verächtlicher Mensch" aus "der böse Wicht", ahd pôse + wiht) , bœsern (swv; schlechter werden, schlechter machen, ärgern, sich verschlechtern)

Die Herkunft

lässt sich schwer feststellen. Nachzuvollziehen ist die Entwicklung aus dem Althochdeutschen "pôse". Weiterhin lässt sich eine Verbindung mit den Wörtern "Bausch", "Busen", "Pausback", "pusten" herstellen, da alle mit der indogermanischen Wortgruppe "Beule" verwandt sind. "Beule" stammt aus dem Westgermanischen, Bedeutung: "Schwellung" durch einen Schlag, Stoß oder eine Entzündung. Daraus kann geschlossen werden, dass das Adjektiv "böse" ursprünglich "aufgeblasen, geschwollen" bedeutete. Man vermutet auch das "empören" (mhd enbœren) durch einen grammatischen Wechsel auf eine Variante von "böse" zurück geführt werden kann. Außerdem ist bœse lautlich vergleichbar mit dem mittellateinischen bausiare und dem gotischen bausis, diese sind jedoch semantisch zu verschieden, um eine Herkunft abzuleiten.

Das Bedeutungsspektrum

umfaßt 1. "böse, schlecht, schlimm übel, gemein, schädlich", z.B. Die bœsen hazzen ie die frumen: "Die Schlechten hassen immer die Guten."
2. "gering, niedrig, unedel, gemein, wertlos,", z.B. ein ist bœser man nicht von Adel und bœsiu kleider sind wertlosere Kleider.
3. "erbärmlich, feige, geizig,", z.B. die Hiunen die sint bœse, si klagent sam diu wîp: "Die Hunnen sind feige und jammern wie Frauen" (NL 2015,3)

Zurück zum Index

Katerina Kapelist, Ganna Yemelyanova

dienst


Zurück zum Index

Sayaka Oki, Andreas Ehrfeld, Sarah Gayer, Kira Stiehr,Peter Weber

edel

Grammatische Bestimmung

edel: Adjektiv. Im Ablaut zu dem Wort "Adel" (mhd. adel, ahd. adal, mniederl. adel, aengl. aedel, aisl. adal), von dem das Adjektiv edel mit Primärumlaut gebildet ist, steht germ. oþela: "Odal, Sippeneigentum an Grund und Boden, väterliches Erbgut" (ahd. uodal, asächs. othil, aengl. odel, aisl. odal).
Verwandte Formen: unedel (adj.;nicht von hoher Geburt), edelarm (adj.;von Geburt und Gesinnung edel aber dabei arm), edelvri (adj.), edellich (adj.), unedelich (adj.), edelguot (adj.) edelherzig (adj.), edellichen (adv.vortrefflich), entedelen (swV, unedel machen), unedelen (swV, unedel werden), edelen (swV edel machen, adeln), edeltuom (starkes Maskulinum, Adel), edelinc (starkes Maskulinum, Sohn eines Edelmanns), edelfrau (starkes Femininum, Besitzerin eines Gutes), edelkeit (starkes Femininum, eine Wortbildung, die ein Adjektiv edelec vorraussetzt), edilzunga (schwaches Femininum, hervorragende, nicht barbarische Sprache)

Etymologie

ahd. edili, aengl. aedele. Das westgermanische Adjektiv edel "adlig, vornehm" ist von dem Substantiv "Adel", das "Geschlecht, Herkunft" bedeutet, abgeleitet. Die Herkunft des altgermanischen Wortes "Adel" für "Abstammung, Sippe, Geschlecht" ist nicht sicher geklärt. Das Wort "Adel" bezeichnete zunächst die alte Abstammung einer Sippe, dann die Sippe oder das Geschlecht selbst und schließlich speziell das vornehme Geschlecht und den edlen Stand. Die Bedeutung edel wurde seit dem Mittelalter zunehmend auf vortreffliche geistige und seelische Eigenschaften übertragen.

Das Bedeutungsspektrum des Wortes

Edel bedeutete ursprünglich "von hoher Geburt, vornehmer Herkunft" aber noch nicht "zum Adel gehörig". Dieser Begriff war im frühen Mittelalter aufgrund seiner rechtlich-ständischen Bedeutung noch nicht so festgelegt wie im späten Teil des Mittelalters. Wichtig ist auch, dass nicht nur Personen die Eigenschaft edel besitzen können, sondern auch Dinge wie z.B. Kleider und Waffen. Edel umfasst in der höfischen Literatur als soziale Qualität gleichzeitig alles Schöne, Wahre und Gute. Trotzdem versteht sich der Adel selbst letztendlich als Adel der Gesinnung, was jedoch im damaligen Verständnis mit dem Adel von Geburt an gleichzusetzen ist. Edel wird später zum Prädikat des "Seelenadels" während das neu gebildete Wort adlig den tatsächlichen Adel (den Adel von Geburt an) meint.
1. edelgeboren, adelig, adlig: Ez wuohs in Burgonden ein vil edel magedîn (Es wuchs in Burgund ein junges Edelfräulein heran.) NL 2,1.
2. kostbar, vornehm (Entwicklung in Richtung Seelenadel): si was ir edelen minne Sîfride untertân, dem Sigemundes kinde, den hâstu hie gesehen. (Rüdiger spricht zu Etzel über Kriemhilt: Sie schenkte ihre kostbare Liebe Siegfried, dem Sohn Siegmunds, den du hier kennengelernt hast.) NL 1157,1-3.
3. (von Dingen) kostbar, auserlesen: vil der edelen spîse si von ir müede sciet unt wîn der aller beste, des man in vil getruoc. (Viele userlesene Speisen vertrieben die Müdigkeit und der allerbeste Wein, wovon man ihnen reichlich auftrug.) NL. 37,2-3. oder: Dô wart ûz den schrînen gesuochet guot gewant. swaz man in der valde der edelen wæte vant, die bouge mit den porten, des was in vil bereit. Sich zierte flîzeclîche vil manec wætlîchiu meit. (Da wurden aus den Truhen kostbare Gewänder hervorgeholt. Alles, was man im Einschlagtuch an erlesener Kleidung fand, und die Armreifen mit den Borten lagen für sie bereit. Viele hübsche Mädchen putzten sich mit Eifer heraus.) NL. 276,1-4.

Zurück zum Index

Inga-Viola Vicum

heimlich

Formen

mndd.: hemelik, mnhd.: heimelijc, ahd.: heimilîch , "zum Hause gehörig, vertraut", mhd.:heim(e)lich, heimlich, "vertraut; einheimisch; vertraulich, geheim; verborgen". Abgeleitetes Abstraktum (stF) 'diu heinlîche' ("Heimlichkeit, Verborgenheit"). Verwandte Worte: heim(e)lichkeit "Annehmlichkeit, Freude; Vertraulichkeit; vertraute Geheimschaft; Heimlichkeit; Geheimnis"); das Verb verheimlichen entsteht erst im 18.Jh.
Das Adjektiv und das dazugehörige Adverb heime-, heim-, hein-lîche,-en wird vom Substantiv Heim abgeleitet, wird aber im heutigen Sprachgefühl nicht mehr als zu `Heim´ gehörig empfunden. Schon seit dem 12. Jahrhundert auch zur Bezeichnung des damit verbundenen Aspekts: wer sich in das Heim zurückzieht, verbirgt sich vor anderen, vor Fremden. Das ahd., mhd. Heim "Haus, Wohnort, Heimat", got.: Haims "Dorf" ist eine Substantivbildung zu der indogermanischen Wurzel *kei- "liegen" und bedeutete demnach ursprünglich "Ort, wo man sich niederlässt, Lager" .

Bedeutung

vertraut, einheimisch, geheim, zahm, fremden Augen entzogen, verborgen. Beispiel: NL 132,2-4 (Siegfried denkt an Kriemhilt und sie an ihn:) Er truog in sîme sinne ein minneclîche meit, und ouch in ein diu frouwe die er noch nie gesach, diu im in heinlîche vil dicke güetlîchen sprach. (Er trug eine sehr liebliche junge Frau im Sinn; ebenso auch ihn die Dame, die er noch nie gesehen hatte, die aber im Verborgenen gut über ihn sprach).

Zurück zum Index

Andreas Ehrfeld, Sarah Gayer, Kira Stiehr

kranc

verwandte Formen:

krancvar (adj. schwach aussehend, blass) kranclich/krenclich (adj. schwach, gering, schlecht, armselig) unverkrenket (adj. ungeschwächt, unverdorben) krancgemuot (adj.) krancmüetec (adj. schwach-, kleinmütig) gekrenken (swV krank machen) verkrenken (swV ganz krank machen) kränkeln (swV, erst eine moderne Bildung) bikranken/bikrankan (swV schwächen) krankolon (swV straucheln krenken/kranken (swV krank machen, schwächen, mindern, verderben, schwach werden/sein) bekrenken (swV krank machen, schwächen, setze herab, verderbe) krancheit (starkes Femininum, Schwäche) kranc (starkes Maskulinum, Schwachheit, Makel, Fehltritt, Abbruch, Schaden, Unvollkommenheit, Mangelhaftigkeit) krenke (starkes Femininum, entweder Schwachheit oder der Leib über der Hüfte als der dünnste Teil des Körpers)

Etymologische Bestimmung:

Ahd. kranc (im Sinne von "hinfällig"), mittelniederdeutsch krank (im Sinne von "schwach"). Seit dem 14. Jahrhundert verdrängt kranc im Sinne von "leidend, krank" das bis dahin vorherrschende gemeingermanische Adjektiv siech - so wie siechtuom und siechtag(e) durch krancheit ersetzt werden. Daneben: suht für Pest, Aussatz, Fieber, Wahnsinn. Seine Herkunft ist unklar (im gothischen fehlt es oder ist nicht bezeugt), möglich wäre krangr "hinfällig" und das lautlich unfeste altenglische crinc(g)an "fallen, verderben". Die verschiedenen Bedeutungen mit diesem Lautstand lassen sich kaum in eine einheitliche Entwicklungslinie einordnen. Im Neuniederländischen liegt es in Form von krank vor; im Neuenglischen als crank.

Bedeutung des Wortes im Mittelhochdeutschen:

- kraftlos, leibesschwach, schwach, nicht gesund, ohnmächtig - schmal, schlank, dünn - schlecht - gering, nichtig - leidend. Textbeispiel NL 2047,1-2: Von des helmes dôze unde von des swertes klanc wâren sîne witze worden harte kranc. "Vom Dröhnen des Helms und dem Klang des Schwertes wurde sein Bewusstsein schwach/geschwächt." (-> er war betäubt)

Zurück zum Index

Pritu Detemple

loben

loben: schwaches Verb, ahd. lobôn, was soviel bedeutet wie nhd. loben, preisen, verherrlichen, empfehlen, jubeln. In ahd. Texten ist häufiges Auftreten mit Präfix `gi´ zu beobachten, also gilobôn, was ebenfalls loben, preisen sowie billigen im neuhochdeutschen bedeuten kann. Grammatische Wurzel des Verbs ist das ahd. Substantiv indogermanischen Ursprungs: lob. Gemeint ist damit Lobgesang, Hymnus, Laudes, Dank, Beifall, Auszeichnung, Ruhm, von dem lobôn im Sinn eines Ornativums ("mit Lob versehen") abgeleitet wird. Das Verb teilt die allgemeine sprachliche Entwicklung vom Ahd. zum Mhd (Nebensilbenabschächung > /e/, Auslautverhärtung /bt/ > /pt/) und vom Mhd zum Nhd. (Dehnung in offener Tonsilbe (/o/ zu /ô/)). Im Mhd. erfolgt kein grundliegender semantischer Wechsel (alle ahd. Bedeutungen bleiben bestehen), jedoch gibt es nun eine vielschichtigere Gewichtung des Verbs: 1) sich überaus positiv über jemanden aussprechen (ahd. semantische Kasus) 2) jemanden etwas versprechen, sein Wort geben (oft mit Präfix: geloben, siehe auch Gelöbnis, Gelübde) 3) einer Person versprechen ihn/sie zu ehelichen (auch mit Präfix verloben.) Etymologisch betrachtet kommt das dem Verb vorhergehende Substantiv Lob höchstwahrscheinlich von dem Substantiv Laub. Eine semantische Verknüpfung lässt sich mit Zweigen herstellen, die zu Ehren von Helden, welche erfolgreich wieder ins Dorf zurückkehren, aufgehangen wurden. Alte Germanische Riten bekräftigen diese These. Außergermanisch entspricht am genauesten lit. liáupsinti, was in nhd. „lobpreisen“ entspricht. Eine genau Festlegung ist allerdings nicht möglich.

Textbeispiele

NL 1.2: von helden lobebæren, von grôzer arebeit. Von lobenswerten Helden, von großer Mühe (Fall 1).
91.4: und gerten des mit vlîze. der herre loben inz began. und verlangten danach eindringlich. Der Herr begann, ihnen es zu versprechen (Fall 2)
615.4 : ouch lobte si ze wîbe der edel künic von Niderlant. Auch sie verlobte sich dem König der Niederlande zur Frau. (Fall 3)
916.2 : (Gunther und Hagene) lobten mit untriuwen ein pirsen in den walt. Ließen mit Treuelosigkeit ein Pirschen durch den Walt bekannt geben.
1145.3: sô ist diu vrouwe kristen, dâ von sô lobt sis niht. Dagegen ist die Herrin christlich, deshalb wird sie nicht (in eine Heirat) einwilligen.

Zurück zum Index

Oleksandr Skopych

rîch

Eigenschaftsadjektiv zum germ. Substantiv reiks "Herscher, Oberster", das auch in adjektivischer Stellung auftritt, aus keltischem rig, gallisch rix "König", welches seinerseits urverwandt mit altind. rag'an "König", lat reg, den Führer bezeichnet. Von diesem Lehnwort wurden folgende westgermanische Formen abgeleitet: altsächs. riki, fries. rike, eng. rich, ahd. rîhhi,rîhci,rîhhe "reich,mächtig,hoch,prächtig,glücklich", mhd. rîch und rîche. Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes (einem Herrscher oder Mächtigen gemäss, zukommend, mit ihm verbunden) tritt bis in die älteren Zeiten des Nhd hervor, wo reich gern als stehendes Beiwort zu Gott, Fürsten im Sinne von gross, mächtig, gewaltig gesetzt ist. Weitere Bedeutungen: edel; von hoher Abkunft; fähig zu, z.B. zu springen bin ich riche. Das Adjektiv kann von Personen (der rîche Gerhard) ebenso wie von Orten (Engenland ist ein grôz kunigrîche und gar rîche) und Gegenständen (reiche Stoffe) gesagt werden.

Beispiele

38(3)si dienten nach der gabe die man da rîche vant sie dienten für die Gabe, die man hier reichlich fand; 87(3)Schilbunc und Nibelungen, diu rîchen küneges kint Schilbunc und Nibelunc, die mächtigen Nachkommen des Königes; 963(4)hey, waz man rîcher spise den edeln jegern do truog! Oh,was man an vorzüglichen Speisen den edlen Jägern auftrug!

Zurück zum Index

Lisa Rademacher

triuwe

NL 2315 (Dietrich von Bern beklagt Rüdiger von Bechelaren): Triuwen unde leides mant´ in dô sîn tot. ("Sein Tod erinnerte ihn an dessen Treue und an sein eigenes Leid darüber"). Er begonde starke weinen, des gie dem helde nôt: "owê getriuwer helfe, die ich verlorn hân! Jane überwinde ich nimmer des künec Etzelen man." Das heutige Wort Treue geht auf das mittelhochdeutsche (mhd.) Wort triuwe zurück. Bereits im frühen Mittelalter existierte das Wort neben dem zugehörigen Adjektiv getriuwe. Im Laufe der mittelalterlichen Epoche von (750 bis ins 16. Jh.), gewann es im Sprachgebrauch zunehmend an Bedeutung. Das aus dem Germanischen triuwa entlehnte mittellateinische Wort "Treuga" (Waffenstillstand) war beispielsweise in der Rechtsgeschichte des Mittelalters ein wichtiger Begriff und notwendiger Bestandteil für die verschiedenen Friedensbewegungen des 11. Jhs. Aber nicht nur in der Rechtssprache, sondern auch in der Heldenepik finden sich immer wieder Worte wie triuwe oder getriuwe, die dann meistens im Neuhochdeutschen (Nhd.) mit "Treue" oder auch "Vertrauen" übersetzen werden und damit zu den wichtigste Eigenschaften eines mittelalterlichen Edel- und Gefolgsmannes zählten. Den Ursprung hat das Wort Treue aber schon im Althochdeutschen (Ahd.). Die Wortgruppe, zu der sich triuwa, sowie oben genanntes Adj. gitriuwi zählen, gehörte zu den indogermanischen sogenannten "Deru-Wurzeln", die in Verbindung mit "Baum" und "Eiche" gebracht, für die "innere Festigkeit" standen. Das Adj. treu bedeutet demnach eigentlich "stark, fest wie ein Baum". Zu ‚treu' gebildet wurde ‚Treue' (mhd. triuwe, ahd. triuwa) und zu diesem Substantiv stellte sich das Verb betriuwen, nhd. "betreuen" ("die Treue halten", "schützen"). Daher abgeleitet wurde unter Anderem der in der Rechtssprache des 13. Jh. gebräuchliche Begriff "Treuhänder", der soviel bedeutete wie, " eine Person, zu treuen Händen ergeben". Übersetzungen des Althochdeutschen Wortes triuwa sind: nhd. Treue, Beständigkeit, Obhut, Beistand, Glauben, sowie weitere davon abgeleitete Worte und Begriffe, wie z.B. gitriuwo (Getreuer), triuwo (gewiss, fürwahr, wahrlich) etc.. Im Laufe der Sprach- und Lautentwicklung änderte sich weniger die Bedeutung des Wortes als vielmehr seine Schreibweise. Vom Althochdeutschen ins Mittelhochdeutsch wurden die Nebensilben abgeschwächt und das /û/ zum /iu/, dem heutigen /ü/ umgelautet. Durch die am Ende des Mittelalters folgende Diphtongierung von /iu/ zu /eu/ gelangte es letztlich als ‚treu' auch in unseren Sprachgebrauch. Für den Gebrauch von triuwe in der mittelhochdeutschen Literatur gibt es viele Beispiele. Allein im Nibelungenlied kommt es nicht weniger als zwanzig mal vor und hat, je nach Zusammenhang, fast immer verschiedene Bedeutungen. Neben den bereits genannten Adjektiven steht das Substantiv in nhd. Übersetzungen für: Treue, Zuverlässigkeit, Vertrauen, Ergebenheit, Liebe und Freundschaft, sowie Ehre, Pflichtgefühl und Versprechen. Ein Beispiel ist die oben angegebene Strophe (2315) aus der 38. Aventiure des Nibelungenlieds. Triuwe in Zeile eins wird in der Ausgabe Helmut de Boors mit dem Verlust der "Freundestreue" Dietrichs zu Rüedeger in Verbindung gestellt und als ‚Kummer' über deren Verlust übersetzt. Die Reclam-Übersetzung macht dieses noch deutlicher, indem sie das in Zeile drei dieser Strophe folgende getriuwer mit ‚treuer Gehilfe' übersetzt und damit den Zusammenhang zu triuwen in Zeile eins deutlich macht. In besonderen Fällen bedeutet triuwe auch die Gefolgschaftspflicht gegenüber der Untergebenen oder auch der Sippe. Für letzteres findet sich ebenso ein Beispiel im Nibelungenlied (18. Aventiure, Strophe 1081, Zeile drei). Es heißt hier: "Do ez ir der junge Gîselher sô güetlîch erbôt, dô begonde vlêgen Uote und Gernot und ir getriuwe mâge; si bâten si dâ bestân. si hete lützel künnes under Sîfrides man." getriuwe mâge sind "die aufrichtig zugetanen Verwandte" und nehmen damit Bezug auf das in Zeile vier folgende Wort 'künnes' das Verwandte oder Sippe bedeutet. In den Handschriften variieren die Schreibungen, etwa in der Überliefung des ‚Armen Heinrich' Hartmanns von Aue (1165-1215). Während die normalisierte Ausgabe die etablierte Schreibung triuwe wählt (siehe erstes Beispiel), steht in der ältesten Handschriften truwe (zweites Beispiel): 1.) (Textausgabe des Fischer Taschenbuchverlags 1985', Frankfurt a. Main - Mittelhochdt. Text und Übertragung): Er was eine bluome der jugent, Er war eine Blüte der Jugend, der welte fröude ein spiegelglas, Ein Spiegelbild aller Freuden dieser Welt staeter triuwe ein adamas, zuverlässig und beständig wie ein Diamant, ein ganziu krone der zuht.... Und er verkörperte das Ideal adliger Bildung. 2.) (Textausgabe verlag Alfred Kümmerle 1971, Göppingen - Abbildungen und Materialien zur gesamte handschriftl. Überlieferung, Hrsg. v. Ulrich Müller): Er was eine bluome der jugent, Der welte froeide ein spiege lglas, steter truwe adamas, eine ganze krone der zuht.... Ein letztes Beispiel ist das Minnelied 'Unter der Linden' Walthers von der Vogelweide (1170-1230): Daz er bi mir lage, Das er bei mir lag- wessez iemen, wüsset es jemand- (nu enwelle got!) so schamt ich mich. (das nur wolle Gott nicht!), dann schämt ich mich. wes er mit mir pflaege, was er mit mir machte- niemer niemen, niemals möge jemand bevinde daz wan er und ich das erfahren, nur er und ich und ein kleinez vogelin, und ein kleines Vögelein, tandaradei, tandaradei, daz mac wol getriuwe sin. das wird wohl verschwiegen sein. Hier wird getriuwe als ‚verschwiegen' übersetzt, wobei man es auch wörtlicher als ‚treu' oder ‚zuverlässig' verstehen kann. Da es sich allerdings um einen Vogel handelt, der nicht sprechen kann, ist ‚verschwiegen' aus dem Kontext heraus der passendere Ausdruck. Wie aus den Beispielen ersichtlich wird, ist die Übersetzung des mhd. Wortes triuwe weniger einfach, als auf den ersten Blick vermutet wird. Wie bei vielen anderen mittelhochdeutschen Verben hat es viele verschiedene Bedeutungen und die Übersetzung ist vom weiteren Kontext abhängig. Es ist also genaues Hinsehen und vielleicht auch etwas Kreativität erforderlich um den jeweiligen Sinn des Wortes zu verstehen. Also Vorsicht und Augen auf!

Zurück zum Index

Nadine Bosch, Melanie Süße

tugent

I) Grammatische Bestimmung

Das mhd. Substantiv "tugent" ist ein starkes Femininum, das zu den i-Stämmen zählt und im Nom./Akk.Sgl. zuweilen auch in der Form "tugende" erscheint. Vom Mhd. zum Nhd. unterliegt das "u" in offener Tonsilbe der üblichen Dehnung. Des weiteren ist "tugent" ein Verbalabstraktum zu dem Verb "taugen"(mhd. tugen), das als Präterito- Präsentio der II. Ablautreihe angehört und im Mhd. meistens unpersönlich konstruiert wurde.

II) Etymologische Bestimmung

Mhd. "tugent" ist unter größter Wahrscheinlichkeit ursprünglich aus dem altnord. Adjektiv "dyggr" abgeleitet worden, das "zuverlässig, aufrecht" bedeutet und dessen Herkunft nicht eindeutig geklärt ist. Geht man dieser Spur nach, so wäre "tugent" aus dem Wort *duwnpi- entstanden. Im Ahd. erscheint "tugent" als "tugund(i)" oder "tugent", im Mndd. und Mndl. als "doge(n)t" bzw. "doget", was aus dem g. Femininum *dugunpi- entstanden ist. Wie bereits unter I) erwähnt, wird Mhd. "tugent" seit jeher mit dem Verb "taugen" in Verbindung gebracht. Erst später wird "tugent" durch den Tugendbegriff des Christentums geprägt, wo sie als Gegenteil zu "Laster" einen sittlichen Sinn erhält.

III) Bedeutungsentwicklung seit ahd. Zeit

3.1 Allgemein

Betrachtet man die enge Verbindung zwischen "tugent" und "taugen" , so liegt nahe, dass die grundlegende Bedeutung die der Tauglichkeit ist, was laut Grimm Vortrefflichkeit und Ausgezeichnetsein einschließt. Aristoteles bestimmt Tugend als einen "habitus" also etwas, das der Person verhaftet ist und nicht nur eine Anordnung des Willens darstellt. Dieser philosophisch-theologische Tugendbegriff der Antike entspricht der Bedeutung des dt. Wortes "Tugend" als ein Tüchtigsein. Grimm geht davon aus, dass das ursprüngliche Verständnis von Tugend als eine Kräfteäußerung sozusagen die Basis für die später grundlegende Bedeutung der Vortrefflichkeit ist, welche vor allem durch das höfische Rittertum begünstigt wurde. Geht man von der eben genannten Basis aus, so bezeichnet "tugent" die Fähigkeit etwas zu leisten im Sinne von Macht, Kraft und Gewalt. Der sittliche Tugendbegriff ist dieser Auffassung noch nahezu fremd. Jedoch bezieht sich "tugent" nicht nur auf menschliche Kraft, sondern auch auf die Selbstbekundung Gottes, was auf Altes und Neues Testament zurückgeht. Eine weitere Bedeutung des Tugendbegriffs vor allem in mhd. Zeit bezeichnet die Kraft der Jugend, was laut Grimm ein besonderes Kennzeichen der höfischen Tugendauffassung war.

3.2 Die höfische Tugendauffassung

Eine jüngere Bedeutung von Tugend, welche einen Gegensatz zu der Bedeutung Macht und Kraft bilden konnte, stellt Grimm als "eine Eigenschaft des Seins" (Grimm, S. 1573) dar. Sie wurde im höfischen Rittertum begründet. Die Grundlagen des ritterlichen Tugendsystems unterstreichend, bezeichnet die höfische Tugend , als Kennzeichen adliger Herkunft, das innere und äußere Tüchtigsein, welches Reichtum, "zuht" (Grimm, S. 1573), Schönheit und Jugend einschließt und der höfischen Lebenseinstellung Ausdruck verleiht. Eine wichtige Einzelheit der höfischen Tugend ist die großzügige, freigiebige, helfende Zuwendung, die die Herrschenden , zur Festigung ihrer Macht wohlgemerkt, dem Volk zukommen lassen. Im Nibelungenlied wird nach Grimm besonders die Bedeutung von Tugend betont, welche innere Größe und Wohlwollen bezeichnet: Weniger häufig, besonders aber im Nibelungenlied auffällig, ist die Bezeichnung höfischer Personen durch das Wort "tugent":

3.3 Ethisch und religiös-sittlicher Tugendbegriff

Vom Standpunkt der Ethik aus betrachtet, kann Tugend im Gegensatz zu jugendlicher Kraft und Schönheit auch die geistige Kraft bezeichnen, die oft dem Alter zugeschrieben wird. Als Gegensatz zu "Laster" wurde Tüchtigkeit auf religiös- sittliches Verhalten übertragen. Im religiös-sittlichen Sinne wurde das Wort "tugent" als "virtus moralis", die sittliche Vollkommenheit des Menschen, erst im 13. Jhdt. häufiger gebraucht. Die Umgestaltung der höfischen Tugendauffassung geht einher mit der Erstarkung des Bürgertums, hat ihre Wurzeln laut Grimm aber in der höf. Tugendauffassung, da diese immer mehr auf das standesgemäße Benehmen beschränkt wurde. Besonders deutlich wird das Ergebnis der Auseinandersetzung mit der "allmählich veräußerlichten höf. Tugendauffassung" (Grimm, S. 1592) im Spätmittelalter, denn da schafft die adelige Herkunft nicht die Tugend, sondern umgekehrt: Tugend schafft Adel (Grimm, S. 1598).

Zurück zum Index

Karin Bürkert

tump

Stammt vom gotischen Wort dumbs (stumm) ab. (englisch dumb, niederländ., schwed., dän. dum) Das Wort wird einem verlorenen verbum dimban, damb, dumbun zugeteilt. Im Althochdeutschen entsteht daraus tumb und wird im Mittelhochdeutschen durch Auslautverhärtung zu tump. Die anlautende tenuis bleibt im Neuhochdeutschen noch bis ins 18. Jahrhundert bestehen. Dann entsteht das heute noch vorhandene Wort dumm.
Die Grundbedeutung des Wortes ist stumpf an Sinnen. Auch im Althochdeutschen bedeutet tumb stumm und taub, aber schon hier geht die Richtung mehr zu unerfahren, unverständig, einfältig, ungelehrt. Im Duden werden für das Mittelhochdeutsche neben der Bedeutung unerfahren für das Wort tump noch die Bedeutungen töricht "ich tumber gouch" (ich törichter Narr) und stumm "daz ich mîn leit verswîge sam ein tumber" (dass ich mein Leid verschweige gleich einem Stummen) angegeben, die auch schon im Althochdeutschen bestehen. Auch die Artikel von Lexer , Kluge und Schützeichel stimmen im wesentlichen mit diesem Bedeutungsspektrum überein. Im Neuhochdeutschen beschränkt sich die Bedeutung von tump allerdings auf töricht bzw. schwach an Verstand.

Zurück zum Index

Katrin Bernhard, Sebastian Ruhnau

vrum

vrum, vrom: Adjektiv dazu abgeleitet: vrümec: abgeleitetes Adjektiv, vrümecheit: st. F Substantiv, vrumen, vromen: schwaches Verb intransitiv

Etymologie

Ursprung: indogermanische Wurzel "per-", Bedeutung: vorne, früh, erster
Die Wörter griechisch prómos "Vorkämpfer" und lateinisch primus "der Erste" sind unter Fürst erwähnt. Im althochdeutschen entspricht dem griechischen Wort prómos ein Adverb: fram "vorwärts". Im Ags. entspricht ihm jedoch ein Adjektiv: fram "kräftig, tätig, kühn, stark. Im Althochdeutschen fehlt dieses Adjektiv. Statt des Adjektivs gibt es im Althochdeutschen ein Substantiv: fruma "Nutzen". Durch prädikativen Gebrauch, wie zum Beispiel in Fügungen wie fruma wesan "ein Nutzen sein" wird das Substantiv fruma im Mittelhochdeutschen zu einem Adjektiv.
Zu den germanischen Verwandten von griechisch prómos gehören außerdem anord. framr "vorzüglich", ags. fram "förderlich, tapfer" und mit Tiefstufe anord. frum- (in Zusammensetzungen) "erst".

Bedeutungsspektrum

Lexer: brav, ehrbar, gut, trefflich, angesehen, vornehm, wacker, tapfer, förderlich, nützlich mit dat.; helfend, brauchbar, gottgefällig, fromm, von Sachen: tüchtig, ausgiebig, wirksam, bedeutend.
Im Mittelhochdeutschen war vrum ein übergreifender Begriff für Vortrefflichkeit. Das Wort erschien besonders häufig bei Luther und hatte dort meist die Bedeutung "rechtschaffen, gerecht". Ab dem fünfzehnten Jahrhundert trat eine Bedeutungsverengung beziehungsweise eine Umdeutung ein, die hauptsächlich auf Reformation, Pietismus zurück zuführen ist. vrum bekam einen religiösen Sinn und einen spezifisch religiösen Inhalt: "fromm, gottesfürchtig". Durch die Deutung der Bibelstellen bekam das Wort im Mittelhochdeutschen noch eine Nebenbedeutung (siehe "lammfromm, militärfromm").Diese Nebenbedeutung ist durch "fügsam, artig, gottergeben, sanftmütig" beschrieben.
Das althochdeutsche Substantiv fruma ("Nutzen, Wohl") findet sich heute noch in der veraltenden Formel "zu Nutz und Frommen". Im achtzehnten Jahrhundert zeigte sich an den Ableitungen frömmeln, Frömmler, Frömmelei eine weitere Bedeutung. Diese Ausdrücke beschreiben eine übertriebene, heuchlerische Haltung und zur Schau getragene Frömmigkeit. Es handelt sich somit hierbei um eine verbale Ableitung.

Textbeispiele aus dem Nibelungenlied

1. vrum, vrom mit der Bedeutung: tüchtig, brav, ehrbar, gut, trefflich, vornehm, wacker, tapfer
1130 Hagen sprach ze dem künige: "ez solde ein frumer man deheinem einem wibe niht des hordes lân." Hagen sagte zum König:"Ein ehrbarer Mann sollte den Hort nicht in der Verfügungsgewalt einer Frau lassen."
1971 Swie frum si alle waeren, die künege und ouch ir man Wie tapfer sie alle waren(kämpften), die Könige und auch ihr Gefolge...
2. vrum, vrom mit der Bedeutung: förderlich, nützlich, helfend, brauchbar
1914 daz mac iu allen wesen frum. Das kann euch allen noch einmal nützlich sein.
2301 ir muget an disen ziten mir niht frum gesîn. In diesen Zeiten könnt ihr mir nicht helfen

Zurück zum Index

Dorothea Bäuerle

wider

Grammatische Bestimmung: 1. Adverb: wider, widere. 2. Präposition: wider mit Dat. oder Akk.
Etymologie: Das gemeingermanische Wort (Präposition, Adverb) mhd. wider, ahd. widar, got. wiþra geht auf einen idg. Komparativ ui-t e ro- "mehr auseinander, weiter weg" zurück. Dieses Komparativ ist eine Bildung zu dem unter weit behandelten idg. ui- "auseinander". Aus der Bedeutung "weiter weg" entwickelte sich "gegenüber, gegen", dann "hin und zurück, zurück, abermals". Die unterschiedliche Schreibung der Präposition ‚wider' "gegen" und des Adverbs ‚wieder' "abermals" geht auf Gelehrte des 17.Jh.s. zurück.

Das Bedeutungsspektrum des Wortes im Mittelhochdeutschen:

1. Adverb ‚wider, widere': 2. Präposition 'wider' mit Dat. oder Akk.:

Textbeispiele mit Übersetzung aus dem ‚Nibelungenlied' :

1. ‚wider' als Adverb: 2. ‚wider' als Präposition:

Zurück zum Index

Julia Gebert, Pamela Hahn, Bozsoka Malina

wîp

1. "wîp"

a) Etymologie des Wortes "Weib"

mhd: wip, ahd: wib mnl, nnl: wijf asächs, afries, ags: wif engl: wife anord : vif dänisch, norwegisch, schwedisch: viv Das Wort, das diesen Nomen zugrunde liegt, ist vermutlich das germanische *wiba neutralen Geschlechts. Bedeutung dieses Wortes: ‚verhüllen' Wenn man einen weiteren Schritt in der Sprachentwicklung zurück geht, wird man auf das indogermanische *uei-b, *uei-p stoßen. Bedeutung: ‚drehen, umwinden, umhüllen; sich drehend, schwingend bewegen'. vgl. aind. Vepate- ‚regt sich, zittert', lat. vibrare- ‚zittern' (siehe vibrieren) lett. Viepe- ‚Decke, Umschlagtuch der Frauen', lett viebt- ‚sich drehen' Im Gotischen gab es den Frauennamen Vivildis aus (wib- hild) Einerseits könnte der Ursprung des Wortes also in den für Frauen typischen Kopfbedeckungen liegen. Eine Braut beispielsweise ist durch den Schleier verhüllt, für eine verheiratete Frau hingegen ist ein Kopftuch üblich. Die Art und Weise, wie dieser Kopfputz gebunden wird, legt die Verbindung zum gotischen biwaibjan- ‚umwinden' nahe. Außerdem ist als glaubhafter Vergleich, für den aber keine Sicherheit zu gewinnen ist, das Althochdeutsche weibon ‚sich hin- und herbewegen' (siehe Weibel-‚Gerichts- Amtsdiener'/ später Feldwebel) zu nennen. Im Ablaut ist damit das Mittel- und Neuhochdeutsche wippen ‚sich auf- und niederbewegen' verwandt. Dies nimmt Bezug auf die geschäftige Hausfrau der Vorzeit, die Haus und Kinder versorgt und dank dieser Aufgabe ständig in Bewegung ist.

b) Das Bedeutungsspektrum des Wortes "wîp" im Mittelhochdeutschen

Im Kleinen Mittelhochdeutschen Wörterbuch von Beate Henning hat das Wort "wîp" folgende Bedeutungen: Frau; Ehefrau; Frau von niedrigem Stand; (altes/böses)Weib; (Tier-)Weibchen Adolf Ziemann erweitert das Bedeutungsspektrum in seinem Mittelhochdeutschen Wörterbuch zum Handgebrauch noch: 1. verheiratete Frau im Gegensatz der Jungfrau 2. "eine jéde persón weiblichen geschlechts, óne rücksicht auf verheiráteten óder unverheiráteten, auf. vórnámern óder geringern stand [...] dáher ‚jedermann' man unde wîp, ‚niemand' man noch wip." Ziemann fasst den Begriff weiter. Matthias Lexer konnte diesen Eintragungen noch gemahlin: euphem. kebsweib und gegensatz zu vrouwe hinzufügen. In seinem Handwörterbuch ließen sich folgende Ergänzungen finden: 1. Weib als Gegensatz zu Mann, "ein wîp heizt einer, der niht zürnen kann" 2. außerdem kann wîp auch ‚Tierweibchen'bedeuten. 3. ein wîp ist eine verheiratete Frau, eine Gemahlin und stellt somit das Gegenteil von Jungfrau oder vrouwe dar, was herrin oder dame bedeutet Im Werk von Benecke, Müller und Zarncke lassen sich die differenziertesten Einträge zu "wîp" finden: 1. eine person wiblichen geschlechts, ohne rücksicht auf vornehmern oder geren , verheiratheten oder unverheiratheten stand: weib im gegensatze zu dem manne. 2. gegensatz zu vrouwe: frauenzinmmer von einem geringern stande, oder wîp wieder in allgemeinerer bedeutng, so dass die vrouwen mit darunter begriffen sind. 3. gegenzatz zu maget (Jungfrau). 4. ehefrau, gattin In jeder der zitierten Lexikoneinträgen ist zu finden, dass "wîp" Ehefrau von geringerem Stand bedeutet hat. Manche Verfasser halten sich allgemeiner.

c) Textstellen zu wip und dessen verschiedenen Bedeutungen:

1. Person weiblichen Geschlechts: 2. Gegensätzlich zur Jungfrau (Kebse): 3. Ehefrau, Gattin:

2. "vrouwe"

a) Etymologie des Wortes "Frau"

mhd. vrouwe, ahd. frouwe / frouwa- (schwaches Femininum) bedeuten ‚Herrin' und sind, wie der aisl. Name der Göttin Freyja, weibliche Bildungen zu einem im Deutschen früh ausgestorbenen Wort für ‚Herr'. Bewahrt wurde die weibliche Bildung in got. frauja, asächs. froio, aengl. F riega- ‚Herr' und dem aisl. Namen des Gottes Freyr. Auch in den Wörtern um ‚Fron' besteht der Stamm fort. Die eigentliche Bedeutung des Maskulinums ist ‚der Erste'. Dazu gehört auch idg. *pro - ‚vorwärts, vorn' vgl. z.B. die verwandten Bildungen aind. purva-h -‚der Erste, Vorderste'. Dieser Herkunft gemäß ist ‚Frau' im Deutschen lange Zeit vor allem die Bezeichnung der Herrin und der Dame von Stand gewesen. Heute wird dies noch deutlich in der Gegenüberstellung von ‚Herr' und ‚Frau' in der Anrede und in der Bezeichnung Marias als ‚Unsere [liebe] Frau'. Hausfrau (mhd. husfrouwe) bedeutet eigentlich Hausherrin, Gattin. An die ehrende Anrede weiblicher Geister erinnert z.B. ‚Frau Holle'. Seit dem 17. Jahrhundert ist ‚Frau' als Standesbezeichnung von ‚Dame' verdrängt worden. Andererseits ist es in der Bedeutung "erwachsene weibliche Person, Ehefrau" an die Stelle von mhd. wîp getreten.

b) Das Bedeutungsspektrum des Wortes "vrouwe" im Mittelhochdeutschen

vrouwe. vrôwe, vroewe ,vrâwe. vrou bedeutet Herrin, Dame, Edelfrau; Herrscherin, Gebieterin; Ehefrau, Gemahlin, Geliebte, Frau: götlichiu von Nonne; unseriu (liebe) von Jungfrau Maria In der Sprache der Höflichkeit kann jede Person weiblichen Geschlechts vrouwe genannt werden, sei sie verheiratet (vgl. wîp) oder unverheiratet. Besonders bezeichnet man damit aber die vornehmere Frau oder Gebieterin des Landes, also Fürstin. Es kann auch eine Frau oder ein Fräulein gemeint sein, die im Dienste einer vornehmen Frau steht. Vor Namen und in der Anrede abgekürzt bedeutet es Herrin, Gebieterin oder Geliebte. Es wurde in der Anrede und als Titel vor Eigennamen verwendet. "vrouwe" stellt einen Gegensatz zu wîp dar, da es eher eine Frau oder sogar Jungfrau von Stande bezeichnet, eine Dame also. Außerdem bezeichnet vrouwe weibliche Wesen überhaupt. (heilige vrouwen = Nonnen, die gemeinen vrouwen = Huren). Mathias Lexer kann den bereits genannten Begriffen in seinem Handwörterbuch keine weiteren Einträge hinzufügen. Wenn vrouwe nicht Herrin, Gebieterin etc. bedeutet, kann es eine ehrende Benennung jeder Person weiblichen Geschlechts sein, sie mag verheiratet sein oder nicht. Vor Namen tritt der Titel vrouwe auch verkürzt auf. Vor dem Namen der heiligen Jungfrau Maria bleibt aber vrouwe immer vollständig. Ohne hinzugefügten Namen hat vrouwe titelhaften Charakter. Allgemeiner bedeutet es Weib, "wobei das Ehrende, das ursprünglich in dem Worte liegt noch durchschimmern kann, oft aber auch ganz bei Seite gesetzt wird." In der Rechtssprache wird das Wort gern allgemein gebraucht.

c) Textstellen zu vrouwe und dessen verschiedenen Bedeutungen:

1. Herrin, Gebieterin über Land und Leute: 2. Dame von Stande: 3. Frau oder Fräulein im Dienst einer vornehmen Dame: 4. Anrede:

Zurück zum Index

Reinhard Berron, Patrick Ebi

zîhen

Untersucht man die Etymologie des mittelhochdeutschen Verbs "zîhen", so stellt man fest, dass dieses auf das indogermanisch erschlossene Verb "deik-(-g-)" zurückgeht. Aus diesem entwickelte sich die gotische Verbform "ga-teihan", die sich anschließend über die althochdeutsche Form "zîhan" und die mittelhochdeutsche Form "zîhen" zur neuhochdeutschen Verbform "zeihen" weiterentwickelte. Mit dem rein äußerlichen Wandel der Verbformen war in zeitlicher Hinsicht auch ein Bedeutungswandel verbunden: bedeutete das idg. Verb ursprünglich "zeigen" und, in enger Verwandtschaft, im Gotischen noch "anzeigen", "verkünden", so trat bereits im Althochdeutschen und später auch im Mittelhochdeutschen die Hauptbedeutung "anklagen", "beschuldigen", "bezichtigen" an diese Stelle2. Hinzu kam noch die Bedeutung bei reflexiver Verwendung des Verbs: "sich denken, einbilden" . Der noch bis zur frühneuhochdeutschen Periode vielfache Gebrauch des Verbs nahm im Laufe der Zeit mehr und mehr ab, sodass das neuhochdeutsche Verb "zeihen" heute nur noch im gehobenen literarischen Stil Verwendung findet, in der Alltagssprache jedoch gänzlich verschwunden ist2. Weiterhin Verwendung findet allerdings eine daraus abgeleitete Präfixbildung: "verzeihen" bzw. das dazugehörige Substantiv "Verzeihung"1. Beispiele, die die jeweilige Bedeutung nochmals klar veranschaulichen, finden sich sowohl im "Deutschen Wörterbuch" der Gebrüder Grimm, als auch im Nibelungenlied. Die Gebrüder Grimm führen unter anderem zwei Zitate Luthers an: "so nu die wort Christi uns zeyhen und leren [...]" "so uns nun die Worte Christi zeigen, weisen und lehren [...]", und als zweites Beispiel: "das einer [...] gezigen wird als ein ketzer." "dass einer [...] bezeichnet wird als ein Ketzer". In beiden Beispielen hat "zeihen" die Bedeutung "zeigen", "bezeichnen", "weisen". Im Nibelungenlied hingegen heißt es in der Strophe 209 Vers 4: "man zêh es Gêrnôte [...]" "man beschuldigte damit Gernot [...]". Diese Beispiele zeigen also deutlich die unterschiedlichen Verwendungen des Verbs "zeihen" im Sprachgebrauch. Untersucht man nun die grammatische Bestimmung sowohl im Althochdeutschen als auch im Mittelhochdeutschen näher, so kommt man zu dem Ergebnis, dass es sich sowohl beim althochdeutschen Verb "zîhan" als auch beim mittelhochdeutschen Verb "zîhen" um starke Verben der Ablautklasse Ib handelt, mit der Besonderheit eines grammatischen Wechsels von h zu g nach der jeweils dritten Ablautstufe. Die fünf Ablautstufen des althochdeutschen Verbs "zîhan" lauten also wie folgt: "zîhan", "zîhu", "zêh", "zigun", "gizigan". Die Ablautstufen im Mittelhochdeutschen lauten entsprechend: "zîhen", "zîhe", "zêh", "zigen", "gezigen". Die angegebenen fünf Ablautstufen beziehen sich dabei nacheinander auf folgende grammatische Formen: Infinitiv, Erste Person Singular Indikativ Präsens, Erste Person Singular Indikativ Präteritum, Erste Person Plural Indikativ Präteritum, Partizip Perfekt Passiv.

Zurück zum Index

Amelie Keilwerth, Sonja van Eys

zît

Wort, Wortart und abgeleitete Wörter von zît

zît: starkes Femininum (diu zît), mehrfach auch Neutrum (daz zît) Wortart: Substantiv abgeleitete Wörter:

Etymologie

Altgerm. Substantiv mhd. und ahd. zît (Zeit, Tages-, Jahreszeit, Lebensalter), niederl. tijd (Zeit), engl. tide (Gezeiten), schwed. tid (Zeit) gehört im Sinne von "Abgeteiltes, Abschnitt"vermutlich zu der indogerm. Wurzel [i] (teilen, schneiden, zerreißen; die Wurzel ist unklar, germ. di?-). Germ. Bildungen zur Wurzel dâi sind u.a. das Wort Zeile (eigentlich "abgeteilte Reihe") und evtl. das Wort Ziel (eigentlich "Eingeteiltes, Abgemessenes"). Eine weitere Grundlage bildet das gr. daiomai (ich (ver-) teile).

Bedeutung

1) Allgemeiner Zeitbegriff: Zeit, Zeitalter, Periode 2) Jahres-, Tageszeit, Stunde 3) Redewendung


Zurück zum Index

Literatur

Grammatiken

Wörterbücher

Etymologie

Nibelungenlied

Das Nibelungenlied wird in den angeführten Beispielsätzen zitiert nach der Ausgabe von BARTSCH/DE BOOR (Das Nibelungenlied. Nach der Ausgabe von Karl Bartsch herausgegeben von Helmut de Boor. 22., rev. u.v. Roswitha Wisniewski ergänzte Auflage, Mannheim 1988), die sich nach der B-Überlieferung richtet.