Notfallkoffer ‘Mündliche Prüfung’

In der mündlichen Prüfung ist entscheidend, wie Sie mit dem Ihnen vorgelegten Textstück umgehen können; dort, wo Sie beim Lesen oder Übersetzen stocken, werden die Prüfer einhaken — umgekehrt ergeben sich aus dem Text wichtige Verbindungsmöglich­keiten zu den sprachlichen Themen. Darum gilt

1. Laut Lesen Üben!

        der Vortrag muß gut akzentuiert sein, Längen und Kürzen klar unterscheiden und syntaktische Zusammenhänge deutlich vorführen.

        Metrische Nachfragen lassen sich ersparen bzw. als Bonuspunkte ein­fahren, wenn die offene Tonsilben der zweisilbigen männliche Kadenzen und die Nebenbetonungen in den klingenden Kadenzen deutlich gelesen sind.

2. Laut Übersetzen Üben!

        Der eigene Überlegvorgang muß den Prüfern transparent gemacht werden; grundsätzliche Probleme des Übersetzens aus dem Mittelhoch­deut­schen laut thematisieren („Bei dem Ausdruck Minne überlege ich, ob ich ihn mit ‘Liebe’ übersetze oder den Begriff so stehen lasse, da es sich wohl um eine Personifikation handelt“).

        Sich selbst und die Prüfer auf Standardübersetzungsfallen aufmerksam machen; dazu gehören neben den bereits erwähnten ‘false friends’ (frouwe/ Frau) v.a. die Bedeutungsverschiebung bei den Präterito-Präsentien/ Modal­verben (ich mag = ich kann); die andere Verwendung von Konjunk­tio­nen (Mehrdeutig­keit von und und wan), Negationen (ex­zipierende ne-Sätze).

        Auf die stereotypen Nachfragen nach den Verbformen gefaßt sein: bei starken Verben möglichst Ablautklassen internalisiert haben, ansonsten sich wichtige Erkennungskriterien merken, um auf diese ersatzweise verweisen zu können („das fehlende Dentalsuffix/der Ablaut/die endungslose Imperativ­form zeigt, daß es sich um ein starkes Verb handelt“), bei schwachen Verben auf die Bildungsmöglichkeiten (führen zu fahren etc), bei den Präterito­präsentien auf ihren modalen Charakter eingehen.

3. Querverbindungen Suchen!

        Um sich selbst und den Prüfern die Strukturierung zu erleichtern, sich im Vorhinein Querverbindungen zwischen den eigenen Prüfungsgebieten über­legen und versuchen, diese am Text wiederzufinden.

4. Strukturiert Antworten!

        Dem Prüfer signalisieren, daß man die Frage verstanden hat und in welchen Schritten man sie beantworten will; eigene Unklarheiten/fehlendes Wissen in Frageform kleiden und Alternativen offerieren.

® Insgesamt: Üben Sie die Redeform mündliche Prüfung spielerisch und ernsthaft als einen Gedächtnissport ein, an (noch) unbekannten Gebieten ebenso wie an schon präparierten — und verlieren Sie nicht den Spaß an den mittelalterlichen Themen!

® Aufgabe für den ‚Examenstag’

Für ein beliebiges mündliches Thema (z.B. ‚starke Verben’, ‚Metrik’ oder ‚Tristan’) ein DIN A4-Blatt erstellen, das enthält:

1.      Definition des Themas in einem Satz,

2.      einen Absatz ‚Basisfakten’ (d.h. Dinge, die auswendig zu wissen sind),

3.      ein mittelhochdeutsches Zitat, das auf jeden Fall angebracht werden kann,

4.      Stichpunkte zu möglichen Querverbindungen a) zu anderen eigenen Prüfungsthemen, b) zu Lieblingsthemen des Prüfers, c) zu Linguistik und NDL,

5.      einen Satz, warum dieses Thema relevant und spannend ist! 

Zurück zum Übersichtsplan Examenskurs Henrike Lähnemann, Sommersemester 2003 oder direkt zur Homepage der Mediävistischen Abteilung