Jürgen Plieninger

Magisterarbeiten - eine lästige Angelegenheit für Bibliotheken

erschienen in: Tübinger Bibliotheksinformationen (TBI), 20.1998, H. 2, S. 31.


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Manche Bibliotheken kennen die schnöde Pflicht gar nicht, Prüfungsarbeiten quasi als Sonderbestand lagern zu müssen, denn bei ihnen haben Dekanate bzw. Prüfungsämter genügend Platz, die Arbeiten selbst zu lagern. Nun, manche haben dieses Problem mit einer ständig ansteigenden Zahl von DIN A4-Bänden, da auch die Zahl der Abschlüsse ansteigt.

Ärger genug hat man damit, denn die Arbeiten dürfen nicht mit dem übrigen Bestand im Freihandteil der Bibliothek aufgestellt werden, sondern müssen unter Aufsicht aufbewahrt werden. Auch ist das Format äußerst ungünstig, denn diese DIN A4-Formate lassen sich einfach nicht günstig aufbewahren: Entweder stellt man sie senkrecht auf, dann wird die ganze Reihe binnen kürzester Zeit schief, weil sie mit ihrem schieren Gewicht die Buchstützen jedes Formats wegdrücken. Als Folge verziehen sich die Buchblöcke, so daß man sie gar nicht mehr geraderücken kann, oder man legt sie in einzelnen Stößen flach aufs Regal, dann läuft man immer Gefahr, wenn man eine untere Arbeit herauszieht, den ganzen Stoß auf den Kopf zu bekommen.

Dummerweise ist dieser Teil des Bestandes auch noch bei den Studierenden ziemlich beliebt, die sich vor der Inangriffnahme ihrer eigenen Arbeit gerne zuerst Arbeiten mit ähnlichem Thema, die beim selben Prüfer geschrieben wurden, ansehen, um sich zu orientieren, was in etwa das Anspruchsniveau ist. Das bedeutet, daß man normalerweise mit einer Liste mit fünf bis zehn Namen im engen Zimmer herumturnt, die Arbeiten herauszieht, sie dann zur Nutzung mit in die Bibliothek hinaufnimmt und die schöne Gewißheit hat, daß sie binnen kurzem zurückkommen und wieder eingeordnet werden müssen...

Jedenfalls hat man schon seine helle Freude mit dieser Sorte Literatur, und dann kommt auch noch das Platzproblem. Wie wird man sie los? Da ich mich in letzter Zeit in dieser Sache umgehört habe, möchte ich Ihnen, falls Sie dasselbe Problem haben, von den Ergebnissen dieser Umfrage berichten.

Zunächst die Dauer, welche die Arbeiten in der Bibliothek zu verbleiben haben: Das Rechtsamt der Uni gibt hier die Auskunft, daß man sie zehn Jahre aufbewahren muß, danach ist man zu nichts mehr verpflichtet.

Die UB legt ihrerseits keinen Wert darauf, diese Literaturgattung zu übernehmen. Obwohl im Bibliographienlesesaal immer wieder Anfragen nach früheren Prüfungsarbeiten aus früherer Zeit kommen, hat die UB weder den Platz noch die personellen Ressourcen, die Arbeiten in ihren Bestand einzuordnen, von Problemen des Urheberrechts einmal ganz abgesehen.

Bleibt als Möglichkeit das Uniarchiv, das freilich auch nur beschränkten Platz hat. Der Leiter des Archivs, Herr Dr. Wischnath, bot nach Anfrage an, einen "Querschnitt" von Arbeiten zu übernehmen, nämlich alle Arbeiten, die im Abstand von fünf Jahren im Sommersemester abgegeben wurden. Zusätzlich noch hervorragende Arbeiten, abgelehnte Arbeiten und landeskundlich interessante Arbeiten. Das wäre sozusagen eine Lösung, die der Unigeschichte Genüge tut. - Sie können, wenn auch Sie der Schuh drückt, mit dem Archiv Kontakt aufnehmen und auf diese Regelung Bezug nehmen.

Der krönende Schluß des Ganzen in Bezug auf mein Institut: Als ich dem Vorstand diese Informationen unterbreitete, entschied er sich überraschend sogar gegen die Uniarchiv-Lösung, sondern beschloß ganz pragmatisch, daß Arbeiten, die älter als zehn Jahre sind, aus Platzgründen ausgesondert werden können. Somit bleibt es mir und dem Archiv überlassen, wie wir vorgehen, ob ein "Querschnitt" bewahrt bleibt oder die Arbeiten ganz der Vergessenheit anheimgegeben werden.

 

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© Jürgen Plieninger, 25.08.1999