Jürgen Plieninger

Angedacht - bevor die neue Bibliothekssoftware am Horizont erscheint

erscheint in: Tübinger Bibliotheksinformationen (TBI), 21.1999, H. 2.


 

Eigentlich sollten jetzt schon neben der UB einige Institutsbibliotheken geschult und eingearbeitet sein in das neue System, so wie die ersten Nachrichten lauteten. Aber das dauert noch, obwohl die neue Software eigentlich auch als Garant gedacht war, das Jahr-2000-Problem in Institutsbibliotheken zu vermeiden. Nun ja, Mikromarc und LARS sollen ja stabil laufen, und wir werden sehen...

Vielleicht sollte man dennoch den einen oder anderen Gedanken an die Post-Mikromarc- bzw. LARS-Zeit in Tübinger Institutsbibliotheken verschwenden. Was bedeutet der Umbruch und was kann man schon vorher tun, um sich auf ihn vorzubereiten?

War es vor zwei Jahren? vor einem Jahr?, als in einer Dienstbesprechung mitgeteilt wurde, daß die Computerkonfiguration für HORIZON bei 32 MB RAM und bei Pentium-Prozessoren liegt? Das bedeutet, daß Sie

  • online sein müssen (sowieso!),


  • für Ihre Dienstgeschäfte ein solches Gerät haben müssen


  • und - wenn Ihre Benutzer/innen in den Genuß eines OPACs kommen sollen - auch die Geräte in der Bibliothek diesen Anforderungen genügen müssen.


Trifft bei Ihnen alles zu? Wenn nicht, sollten Sie sich darum kümmern, das Equipment von Ihrem Institut/Ihrer Fakultät zu fordern. Freilich kann man alte Geräte noch in der Bibliothek stehen lassen und mit Mikromarc respektive LARS betreiben, jedoch ist nicht sicher, ob es Konversionsprogramme HORIZON <==> Mikromark oder HORIZON <===> LARS geben wird. Stellen Sie eine "worst case analysis" an und nehmen Sie an, daß so etwas nicht verfügbar sein wird, weil die EDV-Kundigen bei den ganzen Umstellungen sicherlich etwas anderes zu tun haben werden, als Konversionsprogramme für veraltete Software zu erstellen. Also ist sehr wahrscheinlich, daß auf alten Geräten nur abgebrochene Datenbanken benutzbar sein werden, nach dem Motto "Diese Datenbank ist bis 01.06.2000 ergänzt worden". Ach ja, à propos Abbruch: Was wird mit den Zettelkatalogen dann sein?

Gehen Sie auch hier vom schlechtesten Fall aus und nehmen Sie an, daß HORIZON keine Möglichkeit haben wird, die ach so vielgeliebten Kärtchen zu drucken. Was nun? Ganz einfach: Brechen Sie die Zettelkataloge ab, möglichst zu einem geraden Termin (damit man Schildchen machen kann: "Bestand bis einschließlich 1999"), und freuen Sie sich, daß die Fron ein Ende hat. Sie haben dann mehr Zeit für's andere Geschäft. Wie bitte? Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Ihrem Institut möchten gern weiterhin in Kärtchen wühlen? Verständlich, aber lassen Sie sich da nicht drauf ein! Sie müßten sich nämlich noch eine zweite Bibliothekssoftware anschaffen, die mit HORIZON einen Datenaustausch erlaubt (beispielsweise ALLEGRO würde dies ermöglichen), Sie dürften sich dann parallel auch noch in diese Software einarbeiten, sie konfigurieren und dann eine Routine einrichten, die Daten auf diese Software übertragen, ausdrucken etc. Die Juristen machen, soviel ich weiss, das jetzt schon so, aber die haben als Fakultätsbibliothek auch das Personal, diesen Aufwand zu betreiben. Sie als OPL sollten da vorsichtig sein. Benutzer/innen lernen schnell und können sich da durchaus umstellen, wenn's nicht anders geht. Wer will, darf ja auch noch im abgebrochenen Zettelkatalog grabbeln, bis dann dieser auch Bücherregalen weicht... - Aber bitte beachten Sie: Um so mehr sind Sie darauf angewiesen, in der Nach-LARS- und Nach-Mikromarc-Zeit den Benutzer/innen OPACs in angemessener Zahl anzubieten!

Wie werden wohl die Titelaufnahmen, die Sie bisher schon brav rückwärts konvertiert haben, in HORIZON implementiert werden? Wenn in Ihrer Bibliothek die ISBN schon immer erfaßt wurde, dann haben Sie Glück gehabt, denn anhand der ISBN soll die Konversions-Routine ablaufen, soll Ihr Bestand mit jenem der Datenbank des Südwestverbundes abgeglichen werden. Wenn nicht (ich habe leider Pech, hier wurde erst 1979 die ISBN mit aufgenommen), dann ist guter Rat teuer. Laut Auskunft der Institutsstelle wird wohl auch eine andere Lösung möglich sein, z.B. ein Abgleich mit Autorennamen, Titelanfang und Jahr oder so; bedeutsam aber ist die Auskunft "Da werden sich die im Südwestverbund noch Gedanken machen müssen". Hm! Wie gesagt, die EDV-Leute im Südwesten werden jede Menge zu tun haben, ob die sich gleich darum kümmern? - Für mich bedeutet das, daß ich die Retrokonversion von Altbeständen erstmal auf Eis gelegt habe. Das sind bei mir fast ohne Ausnahme Titel ohne ISBN, ich will doch nicht Mehrfach-Arbeit leisten, falls das dann doch nicht geht! Lieber stecke ich die Ressourcen, die dadurch frei werden, in die forcierte Abschreibung von Bänden, das sind dann nämlich alles Titelaufnahmen, die nicht mehr konvertiert werden müssen. Das spart also garantiert Arbeit! Überlegenswert wäre auch, ISBN-Nummern per Autopsie zu ergänzen, andererseits könnte die Konversion anhand anderer Kriterien doch klappen, dann wäre auch diese Arbeit zuviel gewesen...

Noch etwas? Na ja, vielleicht noch die Frage der Verschlagwortung. Bisher hat man da in den Instituten ja ziemlich viel Arbeit dafür eingesetzt, hat eigene Schlagwortsysteme eingerichtet etc. Bisher war das auch alles ganz toll, selbst über die OPAC-Auswahlen "Institute 1" und "Institute 2" können die Benutzer/innen mit den gewohnten Schagworten recherchieren. Wie's wohl unter HORIZON wird? Bisher ist es im Südwestverbund möglich, zusammen mit anderen "Lokaldaten" (wie z.B. Signatur) auch die Schlagworte zu recherchieren. Vielleicht ist das auch mit HORIZON der Fall, nur: Nix genaues weiß man nicht. Falls es nicht möglich sein sollte (wieder den schlechtesten Fall angenommen...), können Sie schon mal überlegen, wie Sie Ihre Anleitungstexte in Richtung RSWK umschreiben. Das sind dann nämlich noch die einzigen Schlagworte, die verfügbar sind. Prinzipiell finde ich es ja sinnvoll, wenn nicht jeder sein eigenes, arbeitsaufwendiges Süppchen kocht, aber ob gerade die RSWK das Gelbe vom Ei sind? Na ja!

So, das wäre jetzt alles einmal angedacht. Wie es letztendlich sein wird, wissen wir ja sowieso nicht! Vielleicht wird HORIZON doch die eierlegende Wollmilchsau, die alles kann? Ich würde mich jedenfalls an Ihrer Stelle nicht darauf verlassen und schon 'mal vorbauen!

 


© Jürgen Plieninger, 08.09.1999