Jürgen Plieninger

Etat- und Ausgabensituation Tübinger Instituts- und Fakultätsbibliotheken

erscheint in: Tübinger Bibliotheksinformationen (TBI), 21.1999, H. 2.


 

Vor drei Jahren erschien in den TBI ein Artikel über die Etatsituation Tübinger Institutsbibliotheken, in dem Ergebnisse einer Umfrage zusammenfaßt wurden. Nachdem nun einige Jahre ins Land gegangen sind und der Umschwung zum "Globalhaushalt" endlich stattgefunden hat, ist es vielleicht von Interesse, wie denn heute die Situation aussieht. Es antworteten sieben Kollegen und Kolleginnen aus drei Fakultäts-, drei Institutsbibliotheken und einer angegliederten Bibliothek, vielen Dank! Der Rücklauf war schwächer als das letzte Mal, was allein schon als Indiz dafür gelten kann, daß die Lage der Bibliotheksetats momentan entspannter ist als damals. Hoffen wir, daß dies so bleibt!

Die erste Frage des Fragebogens bezog sich darauf, ob überhaupt ein eigener Etat für die Bibliothek besteht. Diese Frage konnte von den meisten gar nicht klar beantwortet werden, da die Sache, bezogen auf verschiedene Ausgabenarten wie Monographien, Fortsetzungen, Buchbinder, durchaus unterschiedlich gehandhabt wird! Uneingeschränkt mit "ja" antworteten nur zwei Bibliotheken, uneingeschränkt mit "nein" wiederum zwei, beim Rest wird es unterschiedlich gehandhabt, meist ist ein Etat für Fortsetzungen vorhanden, der Rest wird mal so, mal so gehandhabt, je nach Lage. Eine Kollegin, die mit "ja" antwortete, ergänzte gleich "aber sehr begrenzt", andere betonten, wie sehr es immer auf die Sondermittel (Berufungsmittel, Strukturfonds) ankommt, damit die Bibliotheksausgaben getätigt werden können. Auch dort, wo der Etat der Bibliothek gemeinsam mit dem Verwaltungsetat "aus einem Topf heraus" bewirtschaftet wird, gibt es gravierende Unterschiede: Vom Kollegen aus der Fakultätsbibliothek, der zusammen mit dem Bibliotheksetat gleich den ganzen Verwaltungsetat der Fakultät managt bis hin zum Kollegen, der keinerlei Ahnung hat, wie hoch der Etat des Instituts ist und wie hoch der Anteil der Institutsbibliothek daran sein soll. Er führt eine Ausgabenstatistik und damit hat es sich! - Man kann also zusammenfassend bemerken, daß nach diesem Meinungsbild weiterhin die Finanzierung - und damit auch der Bestandabbau? - von Institutsbibliotheken weitgehend planlos erfolgt.

Die nächste Frage bezog sich auf die Höhe der Ausgaben. Hier zeigen die Antworten, daß erhebliche Schwankungen seit 1996 stattgefunden haben: Während bei den einen die Ausgaben gestiegen sind (3, zwei Kollegen bemerkten: "Aber immer noch unter dem Niveau von 1995"), sind sie bei zweien gleich geblieben und bei einem gesunken. Eine Prognose wagten nur zwei Kollegen. Einer, dessen Etat wieder stark angestiegen war, kann schon jetzt sagen, daß der Etat im Jahr 2000 wieder stark zurückgehen wird. Ein anderer meint, der Etat werde sinken, wenn die Studierendenzahlen bei der Etatverteilung schwerer gewichtet werden, allerdings könnte diese Situation eventuell durch anstehende Neuberufungen (Berufungsmittel) wieder ausgeglichen werden. Somit sei die Frage schwer zu beantworten. - Solche Schwankungen werden in Zukunft öfter vorkommen, da durch Änderung von Gegebenheiten in den Instituten (sinkende Studierendenzahlen, sinkende Prüfungszahlen, auslaufende Projekte - all das sind Faktoren, die den Institutsetat mehr oder weniger stark beeinflussen) und beim Verteilungsschlüssel innerhalb von Fakultäten der Etat stärker veränderbar ist als in der Vergangenheit mit einem starren Verteilungssystem.

Sodann wurde nach einer Schätzung der Anteile der Ausgaben für Monographien, Zeitschriften und Buchbinderarbeiten gefragt. Ich zähle hier einfach die Antworten auf:

50 % Monographien, 33 % Fortsetzungen, 17 % Buchbinder;

45 % Monographien, 50 % Fortsetzungen, 5 % Buchbinder;

50 % Monographien, 45 % Fortsetzungen, 5 % Buchbinder;

70 % Monographien, 30 % Fortsetzungen;

9 % Fortsetzungen, 91 % Buchbinder (hier werden Monographien dezentral angeschafft);

20 % Monographien, 53 % Fortsetzungen/Zeitschriften/Loseblattsammlungen, 3 % Buchbinder, 24,6 % Sachmittel (bezogen auf den Gesamthaushalt einer Fakultät) und

keine Antwort möglich.

Man sieht: Die Zahlen sind schwer zu vereinheitlichen, aber soviel läßt sich doch sagen, daß der Anteil an Fortsetzungen jeweils einen ziemlich großen Teil ausmacht. Wenn man bedenkt, daß dies "Fixe Kosten" sind, insofern man nicht so schnell die Abonnements kürzen kann, wie sich die Etatsituation verändert, so ist offenbar, daß jeweils bei Monographien und beim Buchbinder gespart werden muß, gerät man einmal vom Etat her in Druck.

Die Frage nach der Dynamik dieser Anteile wurde teilweise nicht beantwortet, teilweise wurden sehr klare Worte für das Preisgebaren der Zeitschriftenverlage gefunden. Soviel war herauszulesen: Das Verhältnis dieser Ausgabensparten soll in etwa gleich bleiben, da Zeitschriftenabonnements weiterhin mit ca. 10-15 % pro Jahr steigen, besteht ein ständiger Handlungsdruck.

Die entspanntere Haushaltssituation hat natürlich dazu geführt, daß weniger Abonnements abbestellt werden mußten als in den Jahren zuvor. Es wurde nach den Abbestellungen von Zeitschriften im Jahr 1998 gefragt:

- 10 Zeitschriftentitel

- 5 Zeitschriftentitel

- 35 Zeitschriftentitel im Umfang von 25.000 DM

- "seit 1996 zahlreiche Abbestellungen",

- eine Bibliothek gab an, aufgrund von Berufungsmitteln und Sondermitteln "zum Glück" nicht eingreifen zu müssen und

- zwei Bibliotheken gaben keine Antwort

Die Lage sieht somit entspannter aus als vor drei Jahren. Dennoch bleibt die Situation prekär und wird entweder mit Sondermitteln oder mit Einsparungen bei den Fortsetzungen überbrückt. Übrigens: Zwei Kolleginnen erwähnen explizit lobend die billigen Buchbinder, die sich eben nicht Steigerungsraten genehmigen wie die Zeitschriftenverlage.

Vielleicht nochmal eingehender zu den Sondermitteln: Eine Bibliothek hatte eine Spende von 100.000 DM für die Monographienerwerbung in den Haushaltsjahren 1997 und 1998 bekommen. Die Kollegin schreibt: "Das war natuerlich klasse und hat unseren eigentlichen Etat entlastet. Ansonsten haben wir immer wieder Neuberufungen und damit einmalige

Berufungsmittel. Diese sind nach der Ausgabe der Spendengelder wirklich substanziell!" Substanziell notwendige "Sonder"mittel, eigentlich ein Widerspruch! Aber auch drei andere Kolleginnen schreiben, daß sie vor allem damit Posten bestreiten, die nicht von vornherein gedeckt sind, wie Buchbinder, EDV-Ausstattung etc. Jedenfalls bleibt das Bild, das sich schon 1996 ergeben hat, daß Berufungsmittel und andere Sondermittel mittlerweile zum Rettungsanker der Instituts- und Fakultätsbibliotheken geworden sind!

Bei der Frage nach den Veränderungen durch den Globalhaushalt mußten etliche passen, kein Wunder, wenn der Bibliotheksetat im Instituts-/Fakultätsetat versteckt ist und der/die Bibliothekar/in keinen Einfluß auf die Gestaltung hat... Aber dennoch gab es Reaktionen, hier einfach einige Zitate:

"Ich finde es wunderbar. Wesentlich entspannend und ich muss nicht mehr so auf den Punkt rechnen. Auch die vorherige Berechnung der Etatentwicklung (Preissteigerung und Umrechnungskurse) muss nicht mehr so genau sein, die Institute akzeptieren eine gewisse

geschaetzte Summe, in dem guten Wissen, dass das uebriggebliebene Geld dann halt fuer die Abos des naechsten Jahres genutzt werden kann."

"Wird unberechenbarer, da die Berechnungsfaktoren Studentenzahlen, Prüfungsfälle bei beiden Fakultäten zurückgehen (teilweise über 20%)."

Auf jeden Fall sind die Meinungen geteilt, zwei andere stimmen noch dem Kollegen zu, der das letzte Zitat geschickt hat, daß der Etat durch den Globalhaushalt unberechenbarer wird, ein anderer findet, daß die Haushaltslage berechenbarer geworden sei.

Die letzte Frage stand mit der vorherigen in unmittelbarem Zusammenhang: Ob die Möglichkeit der Übertragung von Mitteln ins nächste Haushaltsjahr dazu geführt hat, daß das "Dezemberfieber", die stoßweise, oft unbedachte Ausgabe von offenen Mitteln, endlich nicht mehr stattfindet. Positiv antworteten drei Kolleginnen und Kollegen, einer meinte, daß sich momentan im Bewußsein der Leute noch nicht viel verändert habe. Ein Kollege schrieb:

"Wir arbeiten zwar im Dezember etwas mehr im Vergleich zum Jahresdurchschnitt, dennoch bin ich mir ziemlich sicher, daß wir auch den Vorjahren bis zum letzten Tag vor Kassenschluß besonnen mit unseren Mitteln umgegangen sind. Von der Möglichkeit, Mittel zu übertragen werden wir bis auf weiteres keinen Gebrauch machen. Für Bibliotheken kann ich in der Übertragung von Mitteln auch keinen Sinn sehen (wir haben ja in der Regel keine Großprojekte, auf die man ansparen müßte)." Ein anderer berichtet freilich das Gegenteil: Der Etat wird im nächsten Jahr absehbar sinken, weil die Verteilungsregeln in der Fakultät geändert werden, die Zeitschriftenpreise absehbar steigen, und das Institut hat dieser Situation Rechnung getragen, indem eine fünfstellige Summe ins nächste Jahr übertragen wird, damit es im Jahr 2000 nicht zu einem Engpaß bei der Monographienerwerbung kommt. - Man wünscht sich mehr solch planvollen Umgang mit den öffentlichen Mitteln!

 


© Jürgen Plieninger, 08.09.1999