Persönliche Homepage von Peter Pilz, Tübingen

 

Ich mache mir so meine persönlichen Gedanken…

…über:

Gymnasium G8

Darwinjahr

Pisa-Darstellung mal ehrlich ;-)

Verkehr der Zukunft (und fast unbeabsichtigt: Stuttgart 21)

 

Verkürzte gymnasiale Oberstufe „G8“

Wir haben in unserer Familie ein etwas unfreiwilliges Experiment gemacht: Wir haben eineiige Zwillinge, von denen einer im G8-Zug eines Gymnasiums eingeschult wurde, der andere in den G9-Zug. Dafür gab es wohlüberlegte Gründe (die ich im Nachhinein etwas bereue).

 

Meine Erkenntnis aus dem direkten Vergleich, der so vielleicht noch nie gemacht wurde, ist: die auf 8 Jahre verkürzte Gymnasialzeit ist so, wie sie durchgeführt wird, nicht gut! Wissen einfach zu komprimieren ist auf breiter Basis (und das ist der Fall im Gymnasium) nicht sinnvoll. Zumindest nicht so, wie es gemacht wird. Ich bin kein Gegner von G8. Ich arbeite an einer Universität und sehe, dass die meisten StudentInnen mit Engagement und oft auch Spaß bei der Sache sind. Im Gegenzug dazu sind 20-jährige Schüler oft vergleichsweise weniger motiviert. Da das durchschnittliche Abitursalter zum Zeitpunkt der Überlegungen zu G8 21.8 Jahre waren, was im internationalen Vergleich schon fast komisch überaltert wirkt, unterstütze ich Maßnahmen, welche das Abitursalter senken (z.B. in die Richtung von 18 Jahren).

 

Allerdings sollte man sich bei einer solchen Gelegenheit Gedanken machen, was wir unseren Jugendlichen zumuten wollen. Bildung ist wichtig! Aber was brauchen wir als Allgemeinbildung? Hier müssen grundlegende Gedanken gedacht werden.

 

Um auf meinen familiären Fall zurück zu kommen: Der Zwilling in G9 hat die Schule prima und ohne eigene Probleme gemeistert. Der andere im Endeffekt auch. Unterwegs gab es für ihn aber manche Härten, die durch G8 zustande kamen. Von einem exzellenten Schüler wandelte er sich zu einem unmotivierten Schüler mit schlechten Noten. Die Gründe sind bekannt, G8 steht seit Jahren in der Kritik. Zum Glück ist das Experiment aber gut gegangen: Unser ehemaliger G8er hat auf ein Gymnasium mit G9-Zug gewechselt, zur Oberstufe. Wie das manchmal so ist bei Zwillingen hat er dieselben Fächer gewählt wie sein Bruder. Er hat ein klasse Abitur hingelegt, ist motiviert und wieder sehr selbstbewusst. Puh, wir hatten also noch mal Glück gehabt, ist kaum etwas passiert. Weil: früher konnte man ja noch auf G9 wechseln!

 

Persönliche Gedanken zum Darwinjahr 2009

Als Biologie „glaube“ ich an die Evolution. Bei vielen biologischen Prozessen fragen wir Biologen uns, was sich die „Evolution dabei gedacht“ hat. Wir gehen davon aus, dass alles Leben durch die Evolution geschaffen und optimiert wurde.

 

Als Verhaltensphysiologe gehe ich davon aus, dass dies auch für sehr viele Verhaltensweisen gilt – mehr, als man normalerweise zuzugeben bereit ist. Man muss als Biologe wohl davon ausgehen, dass Verhaltensweisen, die überall in jeder Kultur auftauchen, evolutiv bedingt sind.

 

Dies gilt interessanterweise insbesondere für die Religion. Religion wurde und wird von jeder Kultur hervorgebracht. Aus biologischer Sicht ist dies ein Beweis dafür, dass Religion evolutiv wichtig sein muss.

 

Das ubiquitäre Vorkommen von Religion bedeutet, dass wir Menschen als integralen Bestandteil unseres Menschseins die Religion benötigen. Dies muss geschlossen werden aus den Evolutionsprinzipien – welche interessanterweise Religion oft als unnötig, als durch die Evolution als alternatives Gedankengebäude ersetzbar halten.

 

Für viele, welche Evolution verstanden haben, hat Evolution die Religion als Erklärung für unser Dasein und Menschsein abgelöst. Meines Erachtens denken die Evolutionsforscher hier aber zu kurz. Denkt man weiter, ergibt sich meines Erachtens logisch, dass Religion ein Produkt der Evolution sein muss.

 

Diese grob skizzierte Erkenntnis sollte vielfältige Folgen haben, in Philosophie, Erziehungswissenschaften und Biologie, aber auch in unserer Gesellschaft. Kindern Religion vorzuenthalten ist vielleicht viel schädlicher, als wir bisher annahmen. Religionsfreiheit ist wahrscheinlich wichtiger als die meisten anderen Grundrechte. Sich als Evolutionsbiologe über gläubige Menschen lustig machen ist wahrscheinlich sehr viel weniger wissenschaftlich, als man als Biologe annimmt.

 

Ich schlage vor, wir Biologen sollten umdenken. Zumindest sollten wir sehr viel vorsichtiger sein in der aktuellen Debatte zum Darwinjahr „Es gibt vielleicht keinen Gott“. Wir sollten eher die Religion in den Kanon der biologischen Prinzipien versuchen zu integrieren.

Unvorstellbar? So ist das Leben!

 

Pisa-Ergebnisse sind meines Erachtens in den Medien falsch dargestellt

Wenn man sich die Pisa-Ergebnisse selber anschaut, und nicht nur das Gerede in den Medien auf sich rieseln lässt, dann fällt auf, dass Deutschland prima abgeschnitten hat. Wenn man die Pisa Punkte in Schulnoten umwandelt, dann liegt der Spitzenreiter Finnland mit einer Note von 2- (Zwei Minus =2.25) vorne, Deutschland mit einer Note von 2,5 (Zwei bis Drei) aber nur eine Viertel Note dahinter. Dass sich die meisten OSZE-Länder im Bereich 2- bis 2,5 tummeln ist doch eigentlich prima. Allerdings liegen zwischen Finnland und Deutschland eine Menge anderer Länder (Abstände üblicherweise eine Hundertstel Schulnote). Finde ich eigentlich auch gut. Dass die Medien daraus aber mal wieder ein undifferenzierter Ranking machen, und nicht das gute Ergebnis der deutschen Schüler, sondern nur den Platz (Platz 13, 2003 bei gleicher Note für Finnland und Deutschland waren wir auf Platz 18) veröffentlichen, finde ich schade bzw. falsch.

 

Was ist der Fehler der Medien? Sie veröffentlichen zu gerne Schlechtes, und es macht wohl zu vielen Leuten Spaß, auf den Schulen herumzutreten (alle, die schon mal eine Schule besucht haben, glauben ja dass sie Experten seien). Zweitens wird nicht der Absolutwert des Erreichten publiziert, sondern nur der Rang; wie jeder weiß, der etwas von Statistik versteht, verliert man sehr viel Aussagekraft, wenn man nur den Rang benutzt (man verliert statistische „Power“).  Und drittens muss wohl jedem Laien klar sein, dass man Sprachverständnis auf Deutsch und auf Finnisch zwar einigermaßen vergleichbar messen kann, wenn man sich wissenschaftlich viel Mühe gibt, aber auf eine Viertelnote genau ist das nicht möglich! Das bedeutet, es ist wissenschaftlich gar nicht nachgewiesen, dass Deutschland schlechter ist als Finnland. Viertens, und das wiegt für mich auch schwer, hat das Prinzip, 14-15 jährige Schüler und Schülerinnen zu testen, nur weil diese gleich alt sind, einen Haken. Wir in Deutschland werden im internationalen Vergleich oft lange ausgebildet. Vor Einführung von G8 war das Durchschnittsabitursalter in Baden-Württemberg fast 21 Jahre. Da sind die Engländer oft schon mit dem Erststudium (Bachelor) fertig. Wenn ich aber in Deutschland Jugendliche messe, die z.T. noch 7 Jahre Schule vor sich haben, dann ist es doch nicht problematisch, dass zum Messzeitpunkt noch nicht alle Wissenslücken geschlossen sind. Das hat doch teilweise noch Zeit, oder? Vielleicht liegt der Schwerpunkt ja gerade auf dem musischen Bereich, könnten wir uns doch leisten, nicht wahr?

 

Ach ja, es gibt Medienberichte, in denen das nicht ganz so schlecht dargestellt ist. Aber trotzdem fände ich es prima, wenn man nicht das Kind mit dem Bade ausschüttet, und deutsche Schulen als schlecht darstellt. Das sind sie nämlich auf keinen Fall.

 

Ich möchte aber auf keinen Fall die Tatsache gut reden, dass SchülerInnen mit Migrationshintergrund relativ schlecht abschneiden (auch wenn das vielleicht nur bedeutet, dass wir im Vergleich zu Finnland viele solche Schüler haben, wir also auch hier ev. nicht gut informiert werden: lasst sie uns willkommen heißen und ihnen gute Chancen geben, das ist für alle gut). Und ich unterstütze natürlich auch für den Schulbereich für echte Verbesserungen.

 

Insgesamt rate ich dazu, nicht alles zu glauben, was laut daherkommt. Mir macht es Spaß, solch einen Punkt mal selber zu recherchieren, bevor man eine Meinung eines anderen übernimmt. Deutsche Schulen sind klasse, ebenso wie die Schüler, die ich hier schon prima ausgebildet an die Uni bekomme.

 

Verkehr der Zukunft

Die Klimaproblematik lässt mich überlegen… wie stelle ich mir den Verkehr der Zukunft vor? Ich denke, dass wir hier ca. dreigleisig fahren werden:

 

Zum einen wird es ein viel besser ausgestattetes öffentliches Verkehrsnetz geben, und dieses wird durch intelligentes Management nicht überfüllt, aber meist gut ausgelastet sein (also nicht alle Menschen fangen um 8:00 an zu arbeiten etc.).

 

Zum zweiten wird der Individualverkehr ebenfalls durch intelligente Unterstützung (hier meine ich eher EDV-Systeme) sehr viel sparsamer werden. Die Autos sind in den letzten Jahrzehnten durch Sicherheitssysteme ca. doppelt so schwer geworden bei ansonsten gleicher Leistung. Dieses Gewicht hat dazu geführt, dass der Benzinverbrauch nicht im erhofften Maße gesunken ist. Wenn ich es schaffe, Zusammenstöße bzw. Unfälle auszuschließen, indem ich die Autos nur noch per Computersteuerung fahren lasse und den Individualverkehr ebenfalls durch Computer synchronisiere, dann kann ich Autos aus Pappe o.ä. bauen, die sicherer und sehr viel leichter sind als die heutigen. Wenn ich jetzt noch die Verkehrsführung optimiere, also Steigungen und Kurven minimiere, und Autos dicht an dicht im Windschatten fahren lasse, dann sollte es doch möglich werden, den Verbrauch unter einen Liter/100 km zu senken.

 

Drittens wird der Verkehr durch Telekommunikation abnehmen. Ich stelle mir vor, dass ich mit einem Freund ein Glas Wein trinken kann, indem wir beide unsere Telekommunikationsanlage anwerfen. Das sollte besser gehen als mit dem aktuellen Skype-Gefummel (das wir schon nutzen, und welches ich superklasse finde). Nein, ich möchte natürlich anstoßen können, das ganze muss 3D funktionieren, und der Sound muss noch viel besser werden.

 

Was muss man also jetzt tun? Ich denke, am Punkt 3 wird schon prima genug gearbeitet, das kommt sehr bald als Standard. Punkt zwei sehe ich in weiterer Ferne, bis so ein System sicherer wird als das aktuelle, das wird noch dauern. Ein erster Schritt in diese Richtung wäre für mich ein Navi, welches beim Verkehrsministerium zugelassen wird, und welches mir gerichtsfest die auf dem aktuellen Streckenabschnitt gültige Höchstgeschwindigkeit anzeigt (da sind wir schon fast dran), und welches dann auch die Höchstgeschwindigkeit meines Autos festlegt (auch das wird hoffentlich bald kommen, zumindest außerhalb Deutschlands ;-).

 

Punkt 1 und das Straßennetz von Punkt 2 sind sonderbarerweise aktuell wohl das größere Problem. Stuttgart 21 ist offensichtlich eine der notwendigen Verbesserungen, welche durch Begradigung von Strecken sehr schnell zu Einsparungen beim Kraftstoff führen würden. Es kostet 6 Milliarden (wenn es denn kommt), und verkürzt Fahrtzeiten erheblich. Dadurch ergibt sich eine interessante Alternative gegenüber dem Auto, scheint also genau der richtige Weg zu sein. Die Schweiz meldet fast gleichzeitig den Durchbruch beim Gotthard-Tunnel für Züge. Dieses Tunnelsystem kostet über 15 Milliarden Euro, und die Schweizer haben dafür gestimmt, obwohl sie wissen, dass es v.a. der EU und nicht der Schweiz nützt (bei den Beitrittsverhandlungen war ein weiterer Basistunnel in den Alpen die Hauptzugangsbedingung der EU gegenüber der Schweiz; wie wir wissen, haben die Schweizer gegen diesen Beitritt gestimmt…). Und zusammen mit diesem Gotthard-Tunnel macht Stuttgart 21 ja noch mehr Sinn!

 

Als Süddeutscher bedauere ich seit Jahren die falsche (natürlich aus meiner sehr persönlichen Sicht) Vergabe von Mitteln für den Verkehr durch die Bundesregierung. Diese sorgt nämlich dafür, dass in jedem Bundesland ungefähr so viele Mittel für Straßen- und Gleisbau landen, wie dieses Land Anteil an der Bundesbevölkerung hat (o.k., Ausnahme ist der Aufbau Ost, der bei uns alles zum Erliegen brachte, aber das fand ich sehr o.k.). Dies ist meines Erachtens deswegen falsch, weil im flachen Land die Straßen billig sind, und in gebirgigeren Gegenden teurer. Ich fände natürlich (aus auch den oben skizzierten Umweltgesichtspunkten) besser, wenn pro Land die gebauten Kilometer dem Anteil der Bevölkerung entsprächen. Dies würde dazu führen, dass Bayern und Baden-Württemberg gleich viele Autobahnen bekämen wie z.B. NRW, wo sich so viele Autobahnen parallel und kreuz und quer befinden, dass ich mich darauf verirre, während wir im Süden genau eine Ost-West-Autobahn haben. Ich sehe natürlich das Problem, dass dieser sinnvollere Ansatz nicht nur zu weniger Landverbrauch und einer effektiveren Verkehrsverteilung führen würde, sondern auch dazu, dass wegen der Berge im Süden überproportional mehr Geld gerade nach Bayern und BaWü fließen müsste (die haben doch schon so viel Geld…). Das geht in dieser Republik natürlich nicht, da diskutiert man über das Geld (Geld ist wichtig, gebe ich ja zu), und das darf nicht sinnvoll, sondern es muss hauptsächlich gleich verteilt werden.

 

Ich glaube, dass man jetzt, wo man noch die Mittel (und das Öl) für aufwändige Straßenbau- und Schienenprojekte hat, man die Verkehrswege optimieren muss. Warten ist hier fatal, das wird nicht billiger. Und Warten ist nicht schlau, wenn man jetzt schon die Lebensqualität verbessern könnte. Ach ja, und noch eine sehr persönliche Meinung in diese Richtung: auch wenn ich Biologe bin, denke ich, dass eine Begradigung der Verkehrswege nicht unbedingt am Naturschutz scheitern darf. CO2-Einsparung sollte dem örtlichen Naturschutz entgegengestellt werden können.

 

Faden wieder aufgreifen: Die Politik sollte in der Tat Projekte wie Stuttgart 21 durchziehen, Verkehrswege straffen, öffentlichen Verkehr attraktiver machen. Dann gibt es auf allen drei oben skizzierten Richtungen Bewegung – und auch Hoffnung für Verkehr in der Zukunft.

 

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Prof. Dr. Peter Pilz, Stand 8.10.2010. Ist wie gesagt, persönlich – deswegen auch manchmal sachte pointiert ;-)