Exkursion des Althochdeutschseminars
Dr. Henrike Lähnemann
Wintersemester 2002/2003
Deutsches Seminar, Universität Tübingen
Kleine Runenkunde
Das Speerblatt aus Wurmlingen (Kreis Tuttlingen, jetzt im Württembergischen Landesmuseum Stuttgart) zeigt die Inschrift IDORIH (oder nur DORIH? das erste Zeichen ist unsicher) in tauschierter Arbeit auf der unteren Kante. Auf der oberen Kante sind runenähnliche Phantasiezeichen, darunter eine Art umgekehrte Stimmgabel, die vor dem Namen wiederholt wird. Nach PBB 79 (Tübingen 1957), S. 309 ist (gegen Krause, Runeninschriften im Älteren Futhark, S. 230ff und Arntz-Zeiss, Die einheimischen
Runendenkmäler des Festlandes, S. 418) die Runeninschrift auf der Speerspitze aus dem altalemannischen Reihengräberfriedhof von Wurmlingen, wohl
um 600 n.Chr. kein Beleg der Hochdeutschen Lautverschiebung (anders als bei Braune-Mitzka, Ahd. Grammatik 8, § 83, Anm. 2, auch §1, Anm. 1
behauptet). Das Erstglied Ido- ist zu dem westgotischen Stamm Id-/It- usw. zu stellen und zeigt keine Medienverschiebung. Das Zweitglied -rih (vgl. dazu Ala-rih im 'Althochdeutschen Namenbaukasten') muß mit
den anderen altgem. -rich-Formen zusammengesehen werden und darf daher nicht als Zeugnis der Hochdeutschen Lautverschiebung angeführt werden.
Zum Vergleich für den südwestdeutschen Raum kann das 'Abecedarium Nordmannicum' dienen, wie es in der Handschrift St. Gallen, Stiftsbibliothek Hs. 878, S. 321 bezeugt ist. Es entstand um 825 und gibt das Runenalphabet 'Futhark' in einem Gemisch aus Niederdeutsch, Hochdeutsch, Angelsächsich und Nordisch wieder Die Anordnung der Runen in drei Reihen ist so, wie man es später vom kürzeren, jüngeren nordischen Runenalphabet um 900 kennt.
Vieh als ersten |
Ur als zweiten |
Riese als dritten Stab |
Ase folgt diesem |
Ritt zuletzt geritzt |
Geschwür folgt (klebt) dann
Hagel
hält Not
Eis
Jahr
und Sonne
Týr (Ziu)
Birke dabei
und Mensch |
Wasser, das lichte
Eibe beschließt das Ganze |
(Abbildungen des Abecedarium Nordmannicum nach Karl WIPF: ALthochdeutsche poetische Texte. Althochdeutsch/Neuhochdeutsch, RUB 8709, Stuttgart 1992, S. 46/48.)
Zurück zum Programm des Proseminars 'Althochdeutsch'; zur Homepage der Mediävistischen Abteilung des Deutschen Seminars der Universität Tübingen.