Henrike Lähnemann
Vorlesung: Bibeldichtung

Wintersemester 2003   Zeit: Mi 16-18    Raum: 034    Beginn: 15.10.2003
Sprechstunde: Do 14.30-15.30, Zi. 456, 07071-29-72905 henrike.laehnemann@uni-tuebingen.de

Ankündigung

Ars memorativa

Zugleich mit volkssprachlicher Schriftlichkeit beginnt auch die Auseinandersetzung mit der Bibel als Vorlage, die bis zum Ende des Mittelalters nicht abreißt, ja durch die Reformation im 16. Jahrhundert noch einmal neu virulent wird. Die Formen der Be- und Verarbeitung sind so vielfältig wie die Gattungen, die bereits in der Vulgata versammelt sind: Von novellistischen Einheiten wie der Josephsgeschichte über chronistische Berichte wie die Geschlechterfolgen der Königsbücher bis hin zu den hymnischen Formen der Psalmen und der Lyrik des Hohenlieds bot die lateinische Bibel ein buntes Spektrum an Redeformen, und ebenso divergent sind die deutschen Texte. Die Vorlesung soll den vielfältigen Wandlungen der inneren und äußeren Form dieser Auseinandersetzung von den althochdeutschen Experimenten bis zu den Meistersängern nachgehen und dabei immer wieder systematische Brückenschläge versuchen, z.B.: Wie wird die Herausforderung des Hohenlieds als biblischem Buch in die volkssprachliche Dichtung umgesetzt, welche hermeneutischen Modelle werden aus der gelehrten Tradition adaptiert und wie verändert sich das Verhältnis zur lateinischen Sprache?
Hier schon zum Memorieren der Inhalt des Johannesevangeliums in der Kurzform der 'Ars memorandi'. Für die korrekte Identifizierung aller Symbole bis zur zweiten Vorlesungsstunde wird eine Tafel RitterSport als Preis ausgesetzt.

Vorlesungsplan: Themen und Texte

Der Plan wird im Lauf des Semesters ergänzt; die jeweils aktuellen Vorlesungsblätter werden nach der Vorlesung hier ins Netz gestellt.

  1. (15.10.)  Wer nu der bibel buch wil stricken in sîns herzen tuch…
    (Einführung, Überblick)
  2. (22.10.)  Sacra poesis. Frühchristliche Bibeldichtung
    (Grundlagen I)
  3. (29.10.)   Dat gafregin ih mit firahim… Der Beginn mittelalterlicher Bibeldichtung
    (Grundlagen II)
  4. (05.11.)  Regula therero buachi uns zeigot himilrichi. Otfrid von Weißenburg
    (Althochdeutsche Bibeldichtung)
  5. (12.11.)   Biginnan word godes. 'Heliand'
    (Altsächsische Bibeldichtung)
  6. (19.11.)   Et in versibus et in teutonica. Willirams Hoheliedauslegung
    (Zwischen alt- und frühmittelhochdeutscher Bibeldichtung)
  7. (26.11.)   'Wiener Genesis'
    (Frühmittelhochdeutsche Bibeldichtung I)
  8. (03.12.)   Frau Ava
    (Frühmittelhochdeutsche Bibeldichtung II)
  9. (10.12.)   Das Programm der Sammelhandschriften
    (Frühmittelhochdeutsche Bibeldichtung III)
  10. (17.12.)   Rittertum und Literatur: Bibeldichtung als Tischlektüre
    (Deutschordensdichtung I)
  11. (07.01.)   Die 'Judith' von 1254
    (Deutschordensdichtung II)
  12. (14.01.)   Heinrich von Hesler und der Kontext der Bibeldichtung im Orden
    (Deutschordensdichtung III)
  13. (21.01.)   Von Adam bis zur Gegenwart: Weltchronistik
    (Biblische Inhalte in anderen Gattungen I)
  14. (28.01.)   Historienbibeln und vorreformatorische Bibelübersetzung
    (Biblische Inhalte in anderen Gattungen II)
  15. (04.02.)   reht vertiutschen: Luthers Bibelübersetzung und die Folgen
    (Reformationsliteratur I)
  16. (11.02.)   Ausblick: Vom Bibeldrama zum Libretto
    (Reformationsliteratur II)

Literatur

Die Literaturliste wird jeweils ergänzt. Sie folgt den Themenblöcken der Vorlesung

Einführende Literatur

Kartschoke, Dieter: 'Bibelepik', in: Epische Stoffe des Mittelalters, hg.v. Volker Mertens/Ulrich Müller, Stuttgart 1984, S. 20-39.
Hellgardt, Ernst: 'Bibeldichtung. Bibelepik (MA)', in: Killy-Literaturlexikon, Bd. 13 (1992), S. 85-89.
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