Beobachtungsprojekt 1

 

Kugelsternhaufen in Ophiuchus als galaktische Entfernungsmarker

 

Den Reiz der sommerlichen Kugelsternhaufen sehe ich darin, daß man sich mit ihrer Hilfe bis zum Zentrum der Galaxis vorarbeiten kann und sogar darüber hinaus bis zum jenseitigen Rand der Milchstraße. Direkt in der galaktischen Ebene können wir wegen des Staubes ja bekanntlich nicht weit sehen, und die gegenüberliegende Seite unserer Galaxis wird uns wohl für immer verschlossen bleiben. Aber knapp oberhalb und unterhalb der Scheibe ist die Sicht frei, und da benutze ich die Kugelsternhaufen des Sommers als Entfernungsmarker. So sieht man zwar nicht den jenseitigen Rand der Galaxis, aber man sieht die Kugelsternhaufen, die nah bei diesem Rand stehen. Von den zahlreichen Kugelsternhaufen in Ophiuchus habe ich mir 22 herausgeschrieben und nach Entfernung in Gruppen eingeteilt. Sie liegen alle in Richtung galaktisches Zentrum und darüber hinaus.

 

(Die Informationen habe ich aus der Software „Where is M13?“, die unter www.thinkastronomy.com als freeware erhältlich ist und auch sehr schöne Visualisierungen der räumlichen Verhältnisse bietet. Die drei unten stehenden Grafiken habe ich mit dieser Software erzeugt.)

 

Hier ist eine Sternkartenansicht der Lage dieser Kugelsternhaufen:

 

 

 

 

Die Gruppierung nach Entfernungen:

 

1. Gruppe: Zwischen uns und dem zentralen Bulge liegen NGC 6366, M 10, M 12, M 107. Entfernung: 10000 – 20000 Lichtjahre.

 

2. Gruppe: Direkt am Bulge liegen NGC 6304, M 62, NGC 6325, M 9, NGC 6342, NGC 6293, M 14, NGC 6287. Entfernung: 20000 – 30000 Lichtjahre.

 

3. Gruppe: Dicht hinter dem Bulge befinden sich: NGC 6355, NGC 6517, NGC 6401. Entfernung: 35000 Lichtjahre.

 

4. Gruppe: NGC 6356 und NGC 6284 liegen etwa so weit hinter dem Bulge, wie die Erde vor dem Bulge liegt. Entfernung von uns aus: 50000 Lichtjahre. Wenn es spiegelbildlich zu uns auf der anderen Seite der Milchstraße Sternbeobachter gibt, dann sind diese beiden Kugelsternhaufen für sie ungefähr das, was für uns M 4 ist.

 

5. Gruppe: Am äußersten, uns entgegengesetzten Rand der Galaxis liegen NGC 6436 und IC 1257. Entfernung: 65000 – 80000 Lichtjahre. Palomar 15 liegt mit 134.000 Lichtjahren Entfernung weit jenseits des Randes der Galaxis.

 

 

Hier findet sich eine Seitenansicht unserer Galaxis. Man sieht, wie sich die Kugelsternhaufen in Ophiuchus von der Sonne aus (der orangefarbene Punkt am linken Rand) über den Bulge und darüber hinaus bis zum jenseitigen Rand der Galaxis verteilen. Zur Veranschaulichung habe ich auch M 4 im Skorpion und M 13 im Herkules einbezogen:

 

 

Hier die gleichen Objekte in einer Draufsicht. Außer M 13 befinden sich alle Kugelsternhaufen in einem engen Sichtkegel, der durch die Breite des Sternbildes Ophiuchus am Himmel vorgegeben wird:

 

 

 

Zur Beobachtung:

 

Wenn man bei der Beobachtung dieser Objekte auf die Stellung der Fernrohrs relativ zur Milchstraße achtet, dann zeigt sich, daß man hier immer an der Oberseite unserer Galaxis entlang schwenkt. (Würde man das gleiche Projekt mit den Kugelsternhaufen in Sagittarius durchführen, dann würde man an der Unterseite unserer Galaxis entlang schwenken.)

 

Man stößt hier auf eine Vielfalt von helleren und schwächeren, dichteren und weniger dichten Kugelsternhaufen. Einzelbeschreibungen möchte ich hier nicht geben. Das sei jedem Beobachter selbst überlassen. Berichtenswert scheint mir, daß NGC 6356 und NGC 6284 - sie liegen genauso weit hinter dem Bulge der Galaxis wie die Erde vor ihm - trotz ihrer 50.000 Lichtjahre Entfernung und der Extinktion über den zentralen Bulge hinweg, die wohl mehrere Größenordnungen beträgt, recht hell erscheinen. Für unsere galaktischen Antipoden auf der anderen Seite der Milchstraße sind das sicher Objekte, die sie mit bloßem Auge sehen können, vermutlich heller als für uns etwa M 13.



Der am weitesten entfernte Kugelsternhaufen auf meiner Liste ist Palomar 15 - das letzte und wohl schwierigste Objekt im Palomar-Katalog. Er ist auch mit 25" sehr schwierig und nur mit Photo oder genauer Karte aufzufinden. Mit seinen 134.000 Lichtjahren Entfernung befindet er sich weit jenseits des uns gegenüberliegenden Randes der Galaxis, weshalb er in der Seitenansicht und der Draufsicht nicht dargestellt ist. Für diese Entfernung hat er mit 4' Durchmesser (laut Katalog) aber eine stattliche Größe. So ist er größer als der nur halb so weit entfernte NGC 6426 und auch größer als NGC 6342, der uns fünf Mal näher ist. Dennoch ist die Beobachtung eine wirkliche Herausforderung. Zwar blitzen an der entsprechenden Stelle einige Sternchen auf, doch können sie mit dem Kugelsternhaufen nichts zu tun haben, da man auf diese Entfernung keine Einzelsterne mehr sehen kann. Nach meiner Wahrnehmung zeigt sich der Kugelsternhaufen eher als ein flächiges, nebelhaftes Leuchten, das aber sehr schwach ist und nur gelegentlich aufscheint.

 

 

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